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Sustainable Banking – wo stehen die deutschen Banken aktuell?

Der vom Menschen verursachte Klimawandel kommt schneller als bislang vermutet und die Folgen sind schon heute deutlich sicht- und leider auch erlebbar. In unserer kürzlich erschienen Studie "Sustainable Banking" haben wir eruiert, welche Rolle die Bankenbranche bei der Transformation der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit einnimmt.

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Klimarisiken Reform Nachhaltigkeit

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Zur Studie „Sustainable Banking“

Der vom Menschen verursachte Klimawandel kommt schneller als bislang vermutet und die Folgen sind schon heute deutlich sicht- und leider auch erlebbar. In unserer kürzlich erschienen Studie, bassierend auf der Befragung von 110 Fach- und Führungskräften deutscher Kreditinstitute, haben wir eruiert, welche Rolle die Bankenbranche bei der Transformation der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit einnimmt.

Die Bankenbranche ist den ESG-Risiken (Environment, Social, Governance) in doppelter Hinsicht ausgesetzt:

  1. Betroffen ist das Kerngeschäft, da die Vertragspartner, insbesondere Firmenkunden, unterschiedlichen physischen und transitorischen Risiken ausgesetzt sind. Man denke etwa an Überflutungen, die den zentralen Produktionsstandort eines Firmenkunden gefährden könnten. Auch können sich die Kundenpräferenzen ändern, zum Beispiel als Reaktion auf den Klimawandel und die Umweltverschmutzung (Stichwort Plastikabfall, Billigfleisch).
  2. Die Institute beeinflussen maßgeblich über die Kreditvergabeentscheidung, welche Investitionen finanziert werden.

Der Umbau der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit hängt also in einem hohen Maß auch von der Kreditpolitik der Bankwirtschaft ab. Doch auch die Anlageseite ist kunden- und bankenseitig gleichermaßen betroffen. Schon jetzt boomt die Nachfrage nach Green Bonds und Green ETFs, verbunden mit der zentralen Frage, ob der verbriefte Inhalt auch tatsächlich „grün“ ist.

Das Thema Nachhaltigkeit betrifft die Institute massiv und nicht nur im Außenauftritt. Hervorzuheben sind die Kreditvergabeentscheidung samt Anpassungen im Rating und Pricing; die Vertriebsprozesse (kredit- wie anlageseitig), das Risikomanagement, das die einzelnen klassischen Risiken jeweils um Nachhaltigkeitsrisiken ergänzen muss. Auch das Geschäftsmodell steht auf dem Prüfstand, da die etablierten Institute mit dem rasanten Wachstum der hochprofitablen Ökobanken konfrontiert werden.

Unsere Studie zum „Sustainable Banking“ beleuchtet diese Themenstellungen. An dieser Stelle wollen wir einen Einblick zu den Ergebnissen geben.

Regierungsinitiativen und Regulierungsmaßnahmen

Die Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung zielt darauf ab, die Nachhaltigkeit als ein zentrales Leitmotiv im Finanzsystem zu verankern. Die befragten Institute befürworten diese Strategie mehrheitlich – und zwar auch die Nachhaltigkeitsampel für an Privatanleger*innen adressierte Finanzprodukte. Ein solches Ampelsystem, basierend auf geprüften Nachhaltigkeitsberichten und der EU-Offenlegungsverordnung, würde mit einfachen Mitteln transparent machen, wie ernst ein Unternehmen Umweltschutz und Menschenrechte nimmt. Obwohl sich die Kreditwirtschaft meist gegen regulatorische Eingriffe in ihre Produktpolitik wehrt, begrüßt die Hälfte der befragten Institute die Ampellogik.

Ende 2020 hatte die EBA das Diskussionspapier EBA Discussion paper: On management and supervision of ESG risks for credit institutions and investment firms (30.10.2020; EBA/DP/2020/03) veröffentlicht. Mit den dort vorgestellten drei Methoden zur quantitativen und qualitativen Messung der ESG-Risiken hat sich nur ein Viertel der Institute beschäftigt. Der Nachholbedarf ist also erheblich.

Der „Green Supporting Factor“ (GSF), mit dem den Banken eine pauschale Eigenkapitalentlastung für eine grüne Kreditvergabe gewährt werden würde, ist umstritten: Die EU ist dafür, die Bundesregierung dagegen. Die Institute begrüßen hingegen in der Tendenz den GSF, weil er einfach zu handhaben ist.

Von denjenigen Banken, die aus dem BaFin-Merkblatt zur Nachhaltigkeit Handlungsbedarf ableiten, hat nur knapp ein Viertel zu mindestens 50 Prozent den erkannten Handlungsbedarf bereits abgedeckt. Hier ist also noch Luft nach oben.

Kreditprozess: Auswahlkriterien, Pricing und Sicherheitenbewertung

Sowohl das BaFin-Merkblatt zur Nachhaltigkeit als auch die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung fordern das explizite Einbeziehen der durch die ESG-Faktoren hervorgerufenen Risiken des Kreditnehmers in die Kreditvergabeentscheidung. Aktuell erstellt etwa die Hälfte der Banken eine Checkliste mit Ausschlusskriterien bei der Kreditvergabe. Ungefähr ein Drittel verfügt bereits über diese Checkliste.

Neben der Kreditvergabe sollen zukünftig auch bei der Bewertung von Immobilien als Sicherheiten ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Die perfekte Lösung bieten hier Ökobilanzen durch die Abbildung der Umweltwirkungen der Immobilien über ihren gesamten Lebenszyklus. Etwa jedes dritte Institut präferiert diesen Lösungsweg, da der Energieausweis als nicht ausreichend eingestuft wird.

Risikomanagement

Das BaFin-Merkblatt bietet den Instituten eine Orientierung im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Die Mehrheit der Institute versucht bereits, den BaFin-Vorstellungen zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Rechnung zu tragen. Etwa ein Drittel sieht dagegen aktuell noch keinen Handlungsbedarf und wartet ab, bis konkrete Vorschriften erlassen werden.

Fast alle Institute haben sich mit dem aufsichtsrechtlich vorangetriebenen Thema der Nachhaltigkeitsstresstests auseinandergesetzt. Mehrheitlich orientieren sie sich hierbei an den drei Klimaszenarien der EZB und des NGFS (Network for Greening the Financial System).

Offenlegung

Anfang März 2021 hat die EBA für Kreditinstitute eine Empfehlung an die EU-Kommission unter anderem zur Offenlegung einer einheitlichen Green Asset Ratio (GAR) abgegeben, die den Anteil EU-Taxonomie-konformer Finanzierungen angibt. Wenngleich etwa ein Viertel der Banken diese Kennzahl aus Vergleichbarkeitsgründen im Wettbewerb begrüßt, hat knapp die Hälfte die Ermittlung der GAR bislang ausgeklammert. Problematisch ist hier der Aspekt der Datenbeschaffung. Überraschend wenige Banken haben in diesem Zusammenhang die qualitativen Angaben zu den E (Environmental)-, S (Social)- und G (Governance)-Risiken bearbeitet. Insbesondere S und G spielen hier noch kaum eine Rolle.

Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Banken

Nachhaltigkeit ist aus strategischer Sicht für alle Institute von zentraler Bedeutung – mit wichtigen Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell. Für die Banken sind die Berücksichtigung der Außenwirkung und der Dialog mit den Stakeholdern derzeit dominierend, weshalb jedes vierte Institut plant, seinen Außenauftritt hinsichtlich Nachhaltigkeit massiv anzupassen. Auch die veränderte Kundennachfrage wird registriert. So erwarten drei von zehn Geldhäusern eine hohe Nachfrage nach grünen Pfandbriefen mit gravierenden Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell.

Hemmnisse und Stolpersteine

Das größte Problem auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind die dafür fehlenden Personalkapazitäten. Ausgeglichen werden sollen sie vorwiegend durch die Rekrutierung zusätzlichen Personals mit entsprechenden Nachhaltigkeit-Skills. Rund die Hälfte der Institute beklagt das mangelnde Fachwissen und erwartet einen entsprechenden Schulungsbedarf. Technische Rahmenbedingungen, vor allem die aktuell genutzten Softwarelösungen, stellen für etwa jedes dritte Institut eine Herausforderung zur zeitnahen Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen dar.

Langfristig gesehen sollten sich diese Aktivitäten dennoch lohnen: 60 Prozent der Befragten erwarten aus den Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit strategische Vorteile für ihr Kreditinstitut.

Fazit

Die Bankwirtschaft hat sich also auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit gemacht, speziell bezogen auf den Klimawandel. Am Ziel ist sie noch lange nicht, ebenso wenig wie die Politik. Das Thema wird nicht nur die Institute in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellen. Die Zeit drängt. Hoffen wir gemeinsam, dass die Bemühungen rechtzeitig zum Erfolg führen. Nur dann haben nachfolgende Generationen eine lebenswerte Zukunft vor sich.

Sustainable Banking, ESG-Risiken, Nachhaltigkeit

Sustainable Banking

Nachhaltigkeit ist aus der Branche Banking nicht mehr wegzudenken. Treiber sind zum einen die Initiativen von Gesetzgebern und Regulatoren. Aber auch Kunden stellen vermehrt nachhaltige, umweltfreundliche und klimaschonende Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Finanzentscheidungen. Um den langfristigen ökonomischen Erfolg zu sichern sowie die regulatorischen Hürden zu meistern, müssen Banken frühzeitig ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten und fit sein für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken.

Wie sieht die optimale Vorbereitung auf eine nachhaltige Zukunft in der Branche Banking aus? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie Sustainable Banking auf den Grund. Mehr Informationen zu diesem Zukunftsthema finden Sie auf unserer Webseite.

Konrad Wimmer

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

Kommentare
de shields-shiobhan-Icfv

Sehr spannendes und wichtiges Thema für die Zukunft!

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