Green IT und Green Coding – Die Bedeutung von nachhaltiger IT steigt.
Die Entwicklung hin zu einer digitalen Welt verläuft rasant. Und sie sorgt für Probleme. Es besteht Handlungsbedarf. Auch im Bereich der IT müssen die Nachhaltigkeitsbemühungen deutlich gesteigert werden. Green IT und Green Coding sind die Schlüsselwörter.
- Pia, du beschäftigst dich mit der Frage, wie man IT nachhaltiger gestalten kann. Wie können wir uns das vorstellen?
- Warum ist „Green Coding“ für die IT-Entwicklung relevant und was hat es mit Nachhaltigkeit zu tun?
- Wie könnten auch Banken beziehungsweise FinTechs oder Zahlungsdienstanbieter von Green IT profitieren?
- Was können die IT-Entwickler beitragen, den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen zu senken?
- Welche Möglichkeiten haben die Anwender der Software, um ihrerseits selbst auf den Energieverbrauch zu achten?
- Welche Entwicklungen erwartet ihr in den kommenden Jahren, damit die aktuellen Mega-Trends Digitalisierung und Nachhaltigkeit keinen Widerspruch darstellen?
- Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus diesen Entwicklungen?
- Bitte vervollständigt den folgenden Satz: Nachhaltigkeit bedeutet für mich …
In dieser Collection enthalten:
Collection öffnenGreen IT: Benchmarking zur Beurteilung von Energie- und CO₂-Effizienz
ESG-Reporting und -Offenlegung: Nachhaltigkeit in Aktion
Nachhaltigkeit im Kreditgeschäft: Die Relevanz von ESG-Kriterien und einer strategischen Ausrichtung
Biodiversität: Ein unterschätztes Risiko für den Finanzsektor
Naturkatastrophenrisiko: Auswirkungen von steigenden ESG-Risiken auf die Banken- und Versicherungswirtschaft
ESG-Risikomanagement: Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft zu den EBA-Guidelines
Doppelte Wesentlichkeit nach CSRD und ESRS: Effizienz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Mit der neuen Lösung eva.real Immobilien nachhaltig bewerten
ESG-Rating: Die Politik reagiert, aber ausreichend?
Nachhaltige Veranlagung: Ein Blick auf den österreichischen Bankenmarkt
Die Entwicklung hin zu einer digitalen Welt verläuft rasant. Und sie sorgt für Probleme. Zum einen verursacht sie mehr C02-Emissionen als in der Vergangenheit. Zum anderen entsteht vermehrt Elektronikmüll und die Ressourcen seltener Erden werden in naher Zukunft aufgebraucht sein. Es besteht Handlungsbedarf. Auch im Bereich der IT müssen die Nachhaltigkeitsbemühungen deutlich gesteigert werden.
Wir haben mit unseren Experten aus der msg-Gruppe, Pia Gomez (Beraterin bei der m3 management consulting GmbH) und Hans-Peter Keilhofer (Softwareentwickler bei der msg GillardonBSM AG), über nachhaltige IT gesprochen. Sie geben einen kurzen Einblick in den derzeitigen Stand und zu zukünftigen nachhaltigen Entwicklungen in der IT.
Green IT & Green Coding
Interview mit Pia Gomez und Hans-Peter Keilhofer in kompletter Länge
Pia, du arbeitest als Beraterin bei der m3 management consulting GmbH, einer Tochtergesellschaft der msg, und beschäftigst dich dort mit der Frage, wie man IT nachhaltiger gestalten kann. Wie können wir uns das vorstellen?
Pia: Das Ziel von Green IT ist die Gestaltung einer ressourcen- und umweltschonenden IT. Mit einem Green IT-Assessment unterstützen wir Unternehmen dabei, den Status quo der Nachhaltigkeit in ihrer IT festzustellen. Neben den Aspekten Rechenzentrum und IT-Arbeitsplatz analysieren wir noch weitere Dimensionen der IT und können so mit gezielten Fragestellungen herausfinden, wie grün die Ausrichtung der IT des Unternehmens ist. Auf dieser Basis identifizieren wir dann kundenindividuell geeignete Hebel zur Reduktion des CO2-Ausstoßes in der IT.
Wenn es um Green-IT geht, denken viele an stromsparende Serverhardware oder eine möglichst effektive Energieversorgung. Hans-Peter, du nimmst den Aspekt einer nachhaltigen Softwareentwicklung in den Fokus. Gemeinsam mit Kollegen hast du dich mit dem Thema Green Coding beschäftigt. Was bedeutet das? Warum ist „Green Coding“ für die IT-Entwicklung relevant und was hat es mit Nachhaltigkeit zu tun?
Hans-Peter: Green Coding bezieht sich auf den Energieverbrauch einer Software und hier insbesondere auf die Bereiche Softwarearchitektur, die konkreten Softwarekomponenten sowie die Betriebsplattform. Im Rahmen der Softwarearchitektur ist Green Coding eine weitere nicht-funktionale Anforderung analog zu Security oder Performance. Sie zielt darauf ab, den Energieverbrauch einer Softwarekomponente möglichst gering zu halten.
In der Praxis deckt sich das sehr oft mit Performanceanforderungen. Das heißt, häufig ist der performanteste Code auch der, der am wenigsten Energie verbraucht. Das ist jedoch nicht immer so. Bei der Realisierung der Softwarekomponenten muss die Anforderung des geringen Energieverbrauchs messbar formuliert und während und nach der Entwicklung überprüft werden. Die Programmierer können bei der Optimierung weitgehend auf bekannte Maßnahmen zur Performancesteigerung zurückgreifen. Das Motto lautet hier: „Jede Codezeile hat das Potenzial den Energieverbrauch zu senken.“
Die Betriebsplattform ist ein weiterer Bereich, in dem Green Coding eine große Rolle spielt. Der Betrieb in der Cloud ist in der Regel um ein Vielfaches energie- und damit CO2-effizienter als in firmeneigenen Rechenzentren, weil virtuelle Server nur zum Bedarfszeitpunkt gestartet werden. Wird ein eigener lokaler Server betrieben, so sollte sich die Leistung der Hardware am tatsächlichen Bedarf ausrichten, der Server also nicht überdimensioniert sein.
Laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestages steigt der Energieverbrauch von Rechenzentren jährlich an. Der Anstieg sei dabei vor allem auf den steigenden Strombedarf der Server zurückzuführen. Obwohl der Anteil der Software im Gegensatz zum Beispiel zur Kühlung der Rechenzentren geringer ist, wird die Nachfrage nach energieeffizienter und ressourcenschonender Software in Zukunft steigen.
Die msg GillardonBSM AG ist hauptsächlich in der Branche Banking unterwegs. Wie könnten auch Banken beziehungsweise FinTechs oder Zahlungsdienstanbieter von Green IT profitieren?
Pia: Das Schöne am Thema Green IT ist, dass jedes Unternehmen mit IT davon profitieren kann. Und das ist in unserer digitalisierten Welt so gut wie jedes Unternehmen. Auch im Bereich Banking basieren viele Produkte auf einer entsprechenden IT. Dafür wird energieintensive Rechenkapazität benötigt, aus der sich wiederum Potenziale für Green IT-Maßnahmen ergeben. Neben der Umstellung auf grünen Strom lassen sich auch die Rechenzentren selbst nachhaltiger gestalten. Das fängt bei einer auf Nachhaltigkeitskriterien basierenden Beschaffung von Infrastrukturelementen an. Im Bereich des Betriebes können konventionelle Kältemaschinen durch energiesparendere Kühlkonzepte abgelöst werden. Ein weiterer Ansatz wäre, für eine effizientere Auslastung zu sorgen, indem Rechenaufgaben unterschiedlicher Dringlichkeit zeitlich abgestimmt und verschoben werden. Bezüglich der Hardware (zum Beispiel bei Clients) können Nachhaltigkeitspotenziale über eine Optimierung des Lebenszyklus gehoben werden. Eine bessere Auslastung oder die effizientere Stromnutzung bringen somit auch finanzielle Vorteile für Banken mit sich.
Was können die IT-Entwickler beitragen, den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen zu senken?
Hans-Peter: Green Coding beginnt wie so vieles bei den Anforderungen. IT-Entwickler können beim Requirements Engineering auf die Stakeholder einwirken und beispielsweise Anforderungen nach Echtzeitverarbeitung kritisch hinterfragen. Außerdem können sie den Energieverbrauch durch die Wahl des Algorithmus, die Reduzierung der Serveranfragen und des Datenvolumens, zum Beispiel durch die Verwendung von Caches oder den Einsatz von Komprimierungsverfahren positiv beeinflussen. Und auch der Einsatz von Datenbankindizes und eine optimierte Konfiguration der Software für den Dauerbetrieb, zum Beispiel der korrekt konfigurierte Loglevel oder optimierte Datenbankeinstellungen, helfen, den Energieverbrauch zu senken.
Welche Möglichkeiten haben die Anwender der Software, um ihrerseits selbst auf den Energieverbrauch zu achten?
Hans-Peter: Softwareanwender haben Einfluss darauf, wann bestimmte Berechnungen durchgeführt werden. So können zum Beispiel unkritische Batchläufe um die Mittagszeit ausgeführt werden, wenn Solarenergie genutzt werden kann.
Wenn die Nutzer der Software auch als Stakeholder für die Anforderungen an eine zu erstellende Software fungieren, dann können sie diese so stellen, dass möglichst wenig Energie benötigt wird.
Die Betreiber der Software haben die Möglichkeit, grüne Rechenzentren, also solche, die mit Ökostrom laufen, zu betreiben oder den Betrieb in die Cloud auszulagern. Idealerweise kann die Abwärme des Rechenzentrums in der kalten Jahreszeit auch als Heizquelle verwendet werden.
Lasst uns einen Blick in die Zukunft werfen: Welche Entwicklungen erwartet ihr in den kommenden Jahren, damit die aktuellen Mega-Trends Digitalisierung und Nachhaltigkeit keinen Widerspruch darstellen?
Pia: Mit Blick auf die vernetzte Welt, die in vielen Fällen auf stromintensive Operationen in Rechenzentren fußt, muss auch die IT ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Die Bundesregierung hat mit ihrem Ziel der Klimaneutralität 2045 eine ambitionierte, aber absolut notwendige Vorgabe gemacht. Durch das Aufdecken und Nutzen von CO2-Einsparungspotenzialen in der IT kann auch Green IT einen wichtigen Beitrag zu den angestrebten negativen Emissionen ab 2050 leisten.
Hans-Peter: Ich denke, der Werkzeugkasten der IT-Architekten und Entwickler wird sich um Tools erweitern, die auch die Nachhaltigkeit berücksichtigen.
In den letzten zehn Jahren ist bereits vieles hinzugekommen, das energieeffizientere Entwicklung möglich macht. Beim Betrieb eines Clusters mit Docker-Containern kann beispielsweise ein Knoten situationsabhängig hinzugefügt oder entfernt werden. Obwohl eine Applikation, die in Containern betrieben wird, mehr Energie verbraucht als ohne, ist die Verwendung ein Gewinn, weil flexibel auf Lastanforderungen reagiert werden kann. Im Vergleich zu virtuellen Maschinen, die ein gesamtes Betriebssystem samt Kernel und Hintergrundprozessen auf dem Host emulieren, sind Docker Container aber ein großer Fortschritt in Bezug auf den Energieverbrauch.
Auch die Frontendentwicklung zum Beispiel mit Javascript kann sehr ressourcenschonend erfolgen. Das sieht man beispielsweise an der Entwicklung im Mobilfunkbereich. Die dort entstandenen Konzepte sind auch auf Desktopanwendungen übertragbar.
In Zukunft wird es weitere Entwicklungen in Richtung Performanceverbesserung und damit auch in Richtung Nachhaltigkeit geben. Die Vergangenheit zeigt, dass wir immer schneller immer komplexere Systeme entwickeln können und die Programme oft sogar noch performanter und mit weniger Energieverbrauch laufen als früher.
Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus diesen Entwicklungen?
Hans-Peter: Eine große Herausforderung sehe ich in der Ausbildung und ständigen Weiterbildung der Programmierer. Green Coding ist ein weiteres Thema, das meiner Meinung nach auf der Weiterbildungsliste stehen muss und sich in die bereits lange Liste nicht-funktionaler Anforderungen einreiht. Die Tatsache, dass Programmierer zum Umweltschutz beitragen können, verstehe ich als Chance.
Pia: Ich kann mir vorstellen, dass die politischen Vorgaben viele Unternehmen im ersten Schritt mit einem Gefühl der Ohnmacht oder Überforderung zurücklassen. Sie spüren beispielsweise den Kostendruck, den die stetig steigenden CO2-Zertifikatspreise auf sie ausüben. Doch es kann auch positiv herausfordernd sein, neben dem Tagesgeschäft Nachhaltigkeitsziele festzulegen und sie umzusetzen. Dazu kommt, dass eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit neben den genannten Umwelt- und Finanzvorteilen auch zunehmend positiv auf Aspekte wie Corporate Social Responsibility, Recruiting oder Unternehmensimage wirkt.
Bitte vervollständigt den folgenden Satz: Nachhaltigkeit bedeutet für mich …
Pia: … ökologisch und sozial verträglich zu wirtschaften, ohne dabei ökonomische Ziele vernachlässigen zu müssen.
Hans-Peter: … ein schonender und trotzdem wirtschaftlicher Umgang mit den vorhandenen Ressourcen, langfristiges Denken, damit auch zukünftige Generationen noch gut leben können, außerdem gehört für mich dazu, sich über die Folgen des eigenen Handelns bewusst zu sein.
Vielen Dank, Pia und Hans-Peter. Das war ein sehr interessantes Gespräch.
Sustainable Banking
Nachhaltigkeit ist aus der Branche Banking nicht mehr wegzudenken. Treiber sind zum einen die Initiativen von Gesetzgebern und Regulatoren. Aber auch Kunden stellen vermehrt nachhaltige, umweltfreundliche und klimaschonende Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Finanzentscheidungen. Um den langfristigen ökonomischen Erfolg zu sichern sowie die regulatorischen Hürden zu meistern, müssen Banken frühzeitig ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten und fit sein für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken.
Wie sieht die optimale Vorbereitung auf eine nachhaltige Zukunft in der Branche Banking aus? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie Sustainable Banking auf den Grund. Mehr Informationen zu diesem Zukunftsthema finden Sie auf unserer Webseite.
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