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Von der Berichterstattung zur Steuerung – wie Banken Emissionsdaten strategisch nutzen können

Viele Banken erfassen heute umfangreiche ESG-Daten für ihre Berichterstattung – doch häufig endet die Reise hier. Zahlen werden gesammelt, Berichte erstellt, doch die eigentliche Chance bleibt ungenutzt. Finanzierte Emissionen sind längst mehr als ein reines Compliance-Thema: Sie sind ein strategischer Hebel, der Kapitalallokation, Performanceprognosen und risikobasierte Entscheidungen direkt beeinflusst. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass 75 % der Fachleute überzeugt sind, finanzierte Emissionen werden die Bankstrategie in den kommenden drei Jahren entscheidend prägen.

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Viele Banken erfassen inzwischen umfangreiche ESG‑Daten. Doch oft bleibt es bei der Pflicht: Zahlen werden gesammelt und in Berichten veröffentlicht, ohne dass daraus unmittelbare Steuerungsimpulse entstehen. Dabei liefern insbesondere finanzierte Emissionen – also die treibhausgasbedingten Auswirkungen aus Krediten und Anlagen – einen wichtigen Hebel, um Kapitalallokation, Performanceprognosen und risikobasierte Entscheidungen zu verbessern. Laut Untersuchungen stammen bei Finanzinstituten der Großteil der Treibhausgasemissionen nicht aus dem eigenen Betrieb, sondern aus den indirekten Finanzierungstätigkeiten. Diese „finanzierten Emissionen“ sind im Sinne der Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF) Teil der Scope‑3‑Kategorie und gelten als wesentliche Größe für Klimabilanz und Risikoprofil.1

Regulatorischer Kontext und Marktdynamik

Obwohl politische Diskussionen um nachhaltige Finanzregeln zuletzt für Schlagzeilen sorgten, lässt das Thema die Finanzwelt nicht los. Reale Klimarisiken – physische Schäden durch Extremwetter oder wirtschaftliche Risiken im Zuge der Transformation – nehmen zu. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat ihre Leitlinien für das Management von ESG‑Risiken verabschiedet (EBA/GL/2025/01) und erwartet von Instituten eine strukturierte Datenbeschaffung, umfassende Materialitätsanalysen und die Integration von ESG‑Risiken in Geschäftsstrategie, Risikoappetit und interne Prozesse. Auch die Übergangs- oder Transitionspläne von Unternehmen rücken stärker in den Fokus. In einer Übersicht des Bundesverbands deutscher Banken wird hervorgehoben, dass Übergangspläne als strategische Roadmaps für die Dekarbonisierung und Klimaanpassung dienen – sie bieten Banken wichtige Informationen zur Kapitallenkung und Risikobewertung und sind in zahlreichen europäischen Regelwerken verankert.2

Der regulatorische Rahmen verändert sich also laufend. Doch einige Institute gehen bereits voran: Sie verknüpfen Kreditvergabeentscheidungen mit internen Emissionsbudgets, fordern detaillierte Transitionspläne von Unternehmenskunden und nutzen klimabezogene Szenariorechnungen. Der Druck steigt, aus der reinen Berichterstattung zu operativen Steuerungsprozessen zu gelangen, damit Portfolios rechtzeitig dekarbonisiert und klimabezogene Risiken aktiv gemanagt werden können.

Warum die Umsetzung oft stockt

Die größte Hürde für viele Banken ist die Datenbasis. Viele Institute tun sich schwer, Emissionsdaten in konkrete Geschäftsergebnisse zu übersetzen. Die zentrale Herausforderung besteht darin, die Brücke zwischen Nachhaltigkeitskennzahlen und finanzieller Entscheidungsfindung zu schlagen. Dadurch bleiben sie im Nachhaltigkeitsreporting isoliert und liefern keine Anreize für das Geschäft. Hinzu kommt, dass viele Banken zwar eine Nachhaltigkeitsstrategie haben, aber keine integrale ESG‑Datenstrategie.

Ein finanzorientierter Ansatz für Nachhaltigkeit

Um Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg zusammenzubringen, braucht es einen finanzorientierten Ansatz: Emissionsdaten müssen mit finanziellen Steuerungsgrößen verknüpft und in die Portfoliosteuerung integriert werden. Damit lässt sich beispielsweise analysieren, wie sich Emissionsreduktionen auf risikogewichtete Aktiva oder Margen auswirken, oder welche Emittenten in Szenarien mit strenger CO₂‑Bepreisung besonders vulnerabel sind. Moderne Performance-Management-Plattformen können helfen, kohlenstoffbezogene Kennzahlen, Umsatzdaten und Kapitalanforderungen in einem Modell abzubilden, Übergangsszenarien zu simulieren und die Auswirkungen von Transitionsplänen zu evaluieren.

Von reaktiver Compliance zu proaktiver Steuerung

Durch die Kombination branchenspezifischer Modelle, Szenariosimulationen und unmittelbarer Performance-Einblicke können Finanzinstitute von einer reaktiven Compliance-Strategie zu einer proaktiven Nachhaltigkeitsstrategie wechseln – ohne Kompromisse bei der finanziellen Performance eingehen zu müssen.

Wie das genau aussehen kann:

  • Frühzeitige Klassifikation und Diversifikation: Collateral‑Pools und Portfolios sollten nach Sektoren, Emittenten und Restlaufzeiten kategorisiert werden, um klimabedingte Risiken zu verstehen und gezielt in emissionsärmere Vermögenswerte umzuschichten.
  • Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Profitabilität: Emissionskennzahlen müssen in Pricing‑Modelle, Risikogewichtung und Investitionsentscheidungen einfließen, damit Klimaziele und Renditeziele nicht in Konkurrenz stehen.
  • Integration von Transitionsplänen: Die steigenden Anforderungen an Transitionspläne bieten eine Chance, strategische Roadmaps zu entwickeln, die nicht nur Risikomanagement, sondern auch Wachstumsstrategien unterstützen.2
  • Kooperation und Governance: Ein funktionsübergreifendes Team aus Nachhaltigkeit, Risikocontrolling, Treasury und IT ist nötig, um Daten, Modelle und Prozesse aufeinander abzustimmen und regulatorische Anforderungen effizient umzusetzen.

Fazit

Die Zeit, in der ESG‑Daten lediglich für Berichte gesammelt wurden, ist vorbei. Finanzierten Emissionen stehen exemplarisch dafür, dass Nachhaltigkeit und finanzielle Steuerung zusammengehören. Nur wenn Institute ihre Emissionsdaten in Kapitalallokation, Risikoanalyse und Geschäftsentwicklung einbinden, können sie das volle Potenzial der grünen Transformation nutzen. Regulatorische Vorgaben und Markttrends werden das Tempo vorgeben – die Chance, daraus einen Wettbewerbsvorteil zu machen, liegt bei den Banken selbst.

Quellen
Maryan Karpyk

Maryan Karpyk

leitet die Business Unit Sustainability bei msg global solutions. Als Aktuar (DAV) sowie diplomierter Accountant und Master of Business Administration mit langjähriger Erfahrung in Implementierung und Produktentwicklung verbindet er Rechnungslegung, Risikomanagement und IT zu praxisnahen SAP-basierten End-to-End-Lösungen. In seiner Rolle verantwortet er insbesondere Finance- und Sustainability-Themen auf SAP-Basis – darunter SAP Sustainability Control Tower, SAP Footprint Management und weitere Lösungen. Gemeinsam mit seinem Team unterstützt er Kunden ganzheitlich: von der Strategie über die ESG-Datenerhebung und -Integration bis hin zur Verankerung in Steuerungs-, Planungs- und Risikoprozessen sowie im Reporting (u. a. ESRS/CSRD, EU-Taxonomie, IFRS, PCAF, TNFD, etc).

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