Neuerungen in Phase V der NGFS-Klimaszenarien und deren Auswirkungen im Finanzsektor
Mit den aktuellen Updates hat das NGFS (Network for Greening the Financial System) seine bestehenden Klimaszenarien weiterentwickelt und den neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Die Updates der NGFS-Klimaszenarien verbessern unter anderem die Berücksichtigung physischer Klimarisiken und ergeben damit ein ganzheitlicheres Bild der Auswirkungen des Klimawandels auf den Finanzsektor.
In dieser Collection enthalten:
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REBAECA - Die neue Beurteilung der Umweltwirkung von Krediten im Retail Banking
Sustainable Banking - Studie 2024
jPowerMonitor Cloud-Toolkit
Transitionspläne und -strategien für den Bankensektor
Green IT: Benchmarking zur Beurteilung von Energie- und CO₂-Effizienz
ESG-Reporting und -Offenlegung: Nachhaltigkeit in Aktion
Nachhaltigkeit im Kreditgeschäft: Die Relevanz von ESG-Kriterien und einer strategischen Ausrichtung
Biodiversität: Ein unterschätztes Risiko für den Finanzsektor
Die NGFS-Klimaszenarien
Die NGFS-Klimaszenarien sind modellbasierte Projektionen, die vom NGFS (Network for Greening the Financial System) entwickelt wurden, um die finanziellen und wirtschaftlichen Risiken des Klimawandels für den globalen Finanzsektor zu bewerten.
Sie basieren auf der Annahme, dass sowohl die Art als auch der Zeitpunkt der globalen Reaktion auf den Klimawandel wesentliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Finanzsektor haben werden. Dabei berücksichtigen sie eine Vielzahl von Faktoren, einschließlich physische Klimarisiken wie Extremwetterereignisse und transitorische Risiken, die aus politischen Maßnahmen, technologischen Umstellungen sowie Marktveränderungen im Zuge des Klimaschutzes entstehen.
Diese Szenarien dienen der Antizipation möglicher zukünftiger Entwicklungspfade und unterstützen dabei, die Auswirkungen von Klimarisiken zu verstehen. Die Erkenntnisse können Finanzinstitutionen bei der Risikobewertung unterstützen und zu der Entwicklung nachhaltiger Strategien für eine resilientere Geschäftsausrichtung beitragen.
In der ersten Novemberwoche 2024 hat das NGFS mit Phase V beziehungsweise der 2024 Version ihrer Klimaszenarien eine bedeutende Weiterentwicklung der bestehenden Szenarien publiziert.
Die NGFS-Klimaszenarien umfassen weiterhin Szenarien eines geordneten Übergangs (frühzeitige und koordinierte Klimaschutzmaßnahmen), eines ungeordneten Übergangs (verspätete oder abrupte Klimaschutzmaßnahmen), Hot-House-World-Szenarios (unzureichende Klimaschutzmaßnahmen führen zu erheblichen physischen Klimaschäden) sowie ein Too-Little-Too-Late-Szenario (Übergang hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft wird zu spät und unkoordiniert begonnen, wodurch hohe transitorische Risiken bei gleichzeitig weiterhin hohen physischen Risiken entstehen).
Zentrale Updates in Phase V (2024 Version)
Gegenüber ihrer Vorgängerversionen umfasst Phase V der NGFS-Klimaszenarien umfasst mehrere Erweiterungen und Verfeinerungen, eine Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Nutzung neuer Werkzeuge. Die Änderungen ermöglichen eine noch präzisere Modellierung von Klimarisiken und bieten damit eine verbesserte Grundlage zur Risikobewertung. Die wesentlichen Updates von Phase V stellen wir nachfolgend dar:
- Neue Schadensfunktion: Die Einführung einer neuen Schadensfunktion (nach Kotz und anderen, 2024; siehe auch NGFS, 2024a) legt einen stärkeren Fokus auf die physischen Risiken des Klimawandels und eine genauere Differenzierung der regionalen Auswirkungen physischer Risiken.Gegenüber seinen Vorgängerversionen berücksichtigt die Schadensfunktion zusätzliche Klimavariablen wie beispielsweise die tägliche Temperaturvariabilität und extreme Niederschlagsereignisse. Außerdem berücksichtigt die Funktion etablierte Modellerkenntnisse, u.a. das langfristige Wirken von Klimaereignissen auf wirtschaftliche Schäden.Diese Änderungen ermöglichen in Kombination mit einer Neukalibrierung auf Basis neuester Daten eine präzisere Abbildung physischer Risiken. Trotz der Fortschritte in der Schadensmodellierung bleibt aber eine Unsicherheit bestehen, da langfristige Anpassungen und Klimakipppunkte in der Schadensbewertung nicht berücksichtigt werden. Dies könnte eine irreführende Genauigkeit suggerien, was laut Kritikern die Dringlichkeit von Maßnahmen untergräbt und die wahren Kosten der Untätigkeit unterschätzt (Costa, 2024).
- SSPs Update: Die Shared Socioeconomic Pathways (SSPs) beschreiben unterschiedliche sozioökonomische Entwicklungen und sind ein zentraler Baustein für die NGFS-Klimaszenarien. Phase V basiert auf der aktuellen SSPs-Datenbasis (Version 3.0). Explizit bedeutet dies für die Annahmen in den NGFS-Klimaszenarien eine Datenrevision in Bezug auf die BIP-Projektion und das Bevölkerungswachstum.Per Annahme steigt das globale BIP bis 2050 jährlich um durchschnittlich 3,4 % (wenig stark als bisher angenommen) und die Weltbevölkerung wächst in identischem Zeitraum um 200 Millionen auf 9,6 Milliarden (stärker als bisher angenommen). Durch die aktualisierten Modelle werden die makroökonomischen Auswirkungen der Klimapolitik präziser abgebildet, einschließlich der semi-endogenen Berechnung des BIP.
- Klimapolitische Maßnahmen und IAM-Model Updates: In die neuen NGFS-Klimaszenarien wurden neue klimapolitische Verpflichtung, die bis einschließlich März 2024 getroffen wurden, integriert, darunter 36 neue Einreichungen (zum Beispiel von Brasilien und den VAE).Ebenso wurden zwei der drei zugrundeliegenden IAMs (Integrierte Bewertungsmodelle), welche die Auswirkungen unterschiedlicher politischer Ambitionen auf den Energiesektor, die Emissionen und die Landnutzung beschrieben, auf den neuesten Stand geupdatet.
- Höchsttemperaturen: Resultierend aus der trägen Implementierung klimapolitischer Maßnahmen berücksichtigen die neuen NGFS-Szenarien, dass höhere Emissionen in der nahen Zukunft zu erhöhten Höchsttemperaturen führen und daher auch höhere (Schatten-)CO₂-Preise erfordern.Aufgrund der langsamen Fortschritte bei der Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen zeigt beispielsweise das Net-Zero-2050-Szenario in Phase V höhere Spitzenwerte bei globalen Temperaturen im Vergleich zu früheren Phasen.
Mit Phase V hat die NGFS also auf die wachsenden Anforderungen des Finanzsektors reagiert. Die präziseren Modelle und verbesserte Datengrundlage ermöglichen ein besseres und fundiertes Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels und der Klimapolitik das Geschäftsmodell von Finanzinstituten.
Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von Finanzinstituten
Die Neuerungen in Phase V der NGFS-Klimaszenarien stellen Finanzinstitute vor neue Herausforderungen, bieten zugleich aber die Chance, die Geschäftsmodelle zukunftsfähiger zu gestalten.
Die verbesserte Abbildung physischer Risiken durch die neue Schadensfunktion zeigt deutlich, dass die Schäden durch physische Risiken stärker steigen werden als bisher angenommen (siehe Abbildungen 1 und 2).
Abbildung 1: Schäden durch physische Klimarisiken in Phase IV und Phase V (Abbildung aus NGFS,2024c)
Dies bedeutet für Banken, dass diese physische Klimarisiken verstärkt in ihre Bewertungen einfließen lassen sollten. In der Konsequenz erfordern regionale Unterschiede in der Exposition gegenüber extremen Wetterereignissen, wie Überschwemmungen und Hitzewellen, eine differenzierte und ausführliche Analyse von Kreditportfolios hinsichtlich solcher Gefahren.
Abbildung 2: NGFS-Annahmen des BIP und der Weltbevölkerung (Abbildung aus NGFS, 2024c)
Auch die aktualisierten klimapolitischen Rahmenbedingungen und die projizierten höheren (Schatten-)CO₂-Preise bis 2035 haben direkte Auswirkungen auf die Bewertung und Einpreisung von Risiken.
Unternehmen in kohlenstoffintensiven Industrien, wie dem Energiesektor oder der Schwerindustrie, stehen vor steigenden Kosten und möglichen Wertverlusten. Finanzinstitute, die in diesen Sektoren investiert sind, sollten ihre Engagements auf potenzielle Stranded Assets prüfen und ihre Exposition in die gefährdeten Branchen entsprechend reduzieren.
Zugleich eröffnen die hohen CO₂-Preise jedoch Chancen für Investitionen in erneuerbare Energien und emissionsarme Technologien, die künftig von politischen Maßnahmen profitieren werden.
Die Auswirkungen auf langfristige Finanzprognosen sind ebenfalls erheblich. Banken und Vermögensverwalter müssen ihre Modelle zur Bewertung von Renditen und Risiken angesichts der in Phase V aktualisierten sozioökonomischen Annahmen überarbeiten.
Ein niedrigeres projiziertes globales BIP-Wachstum (siehe Abbildung 2 und 3) und eine steigende Weltbevölkerung bis 2050 (siehe Abbildung 3) können die wirtschaftliche Stabilität einzelner Regionen beeinflussen. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit, Portfolios auf diese potenziellen Risiken hin zu diversifizieren und gleichzeitig Investitionen in wachstumsstarke und resiliente Sektoren und Regionen zu stärken.
Abbildung 3: Einfluss der neuen Schadensfunktion auf BIP-Entwicklung (Abbildung aus NGFS,2024d)
Die gestiegenen Projektionen physischer Risiken und die höhere Unsicherheit bezüglich transitorischer Risiken bedeuten, dass bestehende Stresstest-Methoden angepasst werden müssen.
Finanzinstitute können dabei von der Anwendung der NGFS-Szenarien profitieren, um die Robustheit ihres Geschäftsmodells unter unterschiedlichen Klimapfaden zu bewerten und die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.
Fazit: NGFS-Szenarien leisten weiterhin wichtigen Nachhaltigkeitsbeitrag für den Finanzsektor
Wie bereits seine Vorgängerversionen bieten die neuen, verbesserten NGFS-Szenarien eine Orientierungshilfe, mit welchen Risiken Finanzinstitute durch den Übergang hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft konfrontiert sind.
Eine Integration der skizzierten Auswirkungen von Klimarisiken in das eigene Geschäftsmodell kann dabei maßgeblich zur Sicherung der eigenen Zukunftsfähigkeit beitragen und einen strategischen Vorteil schaffen.
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Quellen und weiterführende Literatur
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1. Costa, M. (2024). Economic impact of climate change could be worse than anticipated, NGFS says.
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2. Kotz, M., Levermann, A. & Wenz, L. (2024), The economic commitment of climate change, Na-ture 628 (8008), S. 551-557.
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3. NGFS (2024a). Damage functions, NGFS scenarios, and the ecoomic commitment of climate change – An explanatory note.
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4. NGFS (2024b). NGFS climate scenarios technical documentation.
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5. NGFS (2024c). NGFS long-term scenarios for central banks and supervisors.
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6. NGFS (2024d). NGFS long-term scenarios – Phase V: High-level overview.
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