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Aufsichtsmitteilung für SNCIs veröffentlicht – Neue Erleichterungen im Risikomanagement

Mit der jüngst veröffentlichten Aufsichtsmitteilung für SNCIs (Small and Non-Complex Institutions) haben sich die Anforderungen an das Risikomanagement geändert. Neue Erleichterungen bringen Einsparpotenziale für kleine Institute mit sich.

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Erleichterungen im Risikomanagement für SNCIs

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Ein konkreter Beitrag zur Entbürokratisierung

Am 26.11.2024 hat die BaFin eine neue Aufsichtsmitteilung1 veröffentlicht, die sich mit den Anforderungen an das Risikomanagement von kleinen und sehr kleinen Kreditinstituten beschäftigt. In einem Interview2 betont Raimund Röseler, Exekutivdirektor der Bundesanstalt für Bankenaufsicht (BaFin), dass die Aufsicht künftig stärker auf die Proportionalität der Anforderungen achten wird.

Damit soll „Ein konkreter Beitrag zur Entbürokratisierung“ geleistet werden. Durch die Mitteilung werden neue Erleichterungen für SNCIs eingeführt und bestehende Gestaltungsspielräume aufgezeigt. Nach Schätzung der Aufsicht sind davon etwa drei Viertel der Institute in Deutschland betroffen. Die Anpassungen und Konkretisierungen sollen den Instituten helfen, den regulatorischen Anforderungen besser gerecht zu werden, ohne ihre Effizienz und Stabilität zu gefährden.

Definition kleiner Institute (SNCI)

Die Definition kleiner Institute orientiert sich zukünftig an der Europäischen Eigenmittel-Verordnung (Capital Requirements Regulation – CRR, Artikel 4 Absatz 1 Nr. 145 CRR (SNCIs)3.

Ausgenommen sind die Abschnitte der MaRisk, in denen die Erläuterungen bereits konkrete Schwellenwerte oder präzise Voraussetzungen nennen.

Zudem übernimmt die Aufsichtsmitteilung den Begriff der sehr kleinen Institute aus dem RTF-Leitfaden4. Hierfür wird ein Schwellwert von einer Bilanzsumme von 1 Milliarde Euro festgesetzt.

Die Vereinheitlichung verbessert die Möglichkeit der BaFin, regulatorische Anforderungen proportional zur Größe und Komplexität der Institute zu gestalten.

Durch die Harmonisierung der Begriffsbestimmungen werden zudem nationale und europäische Regelungen vereinheitlicht, was die Umsetzung für die Institute erleichtert.

Erleichterungen durch die Aufsichtsmitteilung

Das formulierte Ziel der Aufsicht liegt darin, der ganzen Industrie schnell und pragmatisch zu helfen. Hierfür hat sie „bestehende und neue Entschlackungspotenziale identifiziert und zusammengetragen.“ Dies führt zu administrativen Erleichterungen für kleinere Institute, wie beispielsweise reduzierte Stresstest-Anforderungen und vereinfachte Berichtspflichten.

Die Erleichterungen und Interpretationshilfen bestehender Regelungen betreffen neun breit gestreute Themenfelder. Aus diesem Grund dürften fast alle SNCIs von den geschaffenen Optimierungspotentialen profitieren.

Die neuen Regelungen ermöglichen eine zielgerichtete Anwendung im Risikomanagement, beispielsweise durch eine Fokussierung auf wesentliche Risiken im Rahmen der Risikoinventur und den Verzicht auf detaillierte Anforderungen für unwesentliche Risiken.

Die Vorgaben für die Wesentlichkeitsbeurteilung wurden konkretisiert.

Ein Schwellenwert von 5 Prozent bezogen auf das ökonomische Risikodeckungspotenzial wird grundsätzlich als angemessen angesehen. Bei der Anrechnung der aggregierten unwesentlichen Risiken ist es ausreichend den Teil anzusetzen, der die 5 Prozent Wesentlichkeitsschwelle überschreitet.

Erleichterungen durch einfachere Methoden bei der Risikotragfähigkeit (RTF)

Sehr kleine Institute können bei schwer quantifizierbaren Risken anstelle von pauschalisierten Schätzungen Puffer im Risikodeckungspotenzial vorhalten. Hierbei ist zu beachten, dass definiert werden muss, welche Risiken durch den Puffer abgedeckt werden sollen.

Reduzierte Stresstest-Anforderungen

Kleine Institute können ihr Stresstestprogramm schlank halten, indem sie die Anzahl der Tests begrenzen und nicht alle Tests quartalsweise berechnen. Es genügt, rollierend einzelne Stresstests zu aktualisieren, während beispielsweise Kreditbücher mit überwiegend nicht-risikorelevanten Krediten nur jährlich gestresst werden.

Für das Liquiditätsrisiko ist das Szenario mit den höchsten Auswirkungen, oft ein kombiniertes instituts- und marktweites Stressszenario, zu analysieren.

Inverse Stresstests können auf qualitative Analysen beschränkt werden. Falls die wesentlichen Risiken auch ohne inverse Stresstests angemessen gesteuert werden können, dürfen diese künftig entfallen.

Für sehr kleine Institute gelten sogar noch weitere Erleichterungen. Diese können die Anforderungen an Stresstests wie folgt umsetzen: Es reicht ein risikoartenübergreifender Stresstest und ein Stresstest je wesentlicher Risikoart. Sensitivitätsanalysen, die sich auf einen einzigen Risikofaktor beschränken, sind dabei grundsätzlich ausreichend.

Operationelle Risiken müssen nicht separat gestresst werden, sofern entsprechende adverse Szenarien bereits im Notfallmanagement abgedeckt sind.

Zudem ist es nicht notwendig, dass die Institute eigenständig adverse Stressszenarien entwickeln. Stattdessen können sie das aufsichtliche Stressszenario der BaFin verwenden, das auch Grundlage für die Ermittlung der Eigenmittelempfehlung ist.

Vereinbarkeiten im Beauftragtenwesen

Zudem wird auf die bestehenden Vereinbarkeiten im Beauftragtenwesen, wie beispielsweise die Compliance nach dem Wertpapierhandelsgesetz, Geldwäschebeauftragte, Informationssicherheitsbeauftragte und Datenschutzbeauftragte und die mögliche Kombination von Compliance und des zentralen Auslagerungsbeauftragten hingewiesen.

Entlastung bei Auslagerungen

Des Weiteren können Entlastungen im Auslagerungsmanagement und der Dienstleistersteuerung in Anspruch genommen werden. So betont die Aufsicht, dass keine Bedenken gegen die verstärkte Nutzung eines gruppen- oder verbundinternen zentralen Auslagerungsmanagements bestehen. Dieses kann die Vorauswertung der Qualität und Risiken beauftragter Mehrmandantendienstleister und ihrer Subunternehmer übernehmen sowie Berichte und Dokumentationen für die angeschlossenen Institute vorbereiten.

Auch die Meldungen zu Auslagerungen und Weiterverlagerungen dürfen zentral abgegeben werden. Es ist außerdem möglich, den Dienstleister oder Drittmelder zu bevollmächtigen, relevante Anzeigen zur Weiterverlagerung im Namen des Instituts abzugeben. Bei Auslagerungen ist jedoch immer zu beachten, dass die Verantwortung für die Einhaltung, der mit den ausgelagerten Funktionen und Prozessen verbundenen, Pflichten beim Institut liegt.

Erleichterungen im nicht-risikorelevanten Kreditgeschäft

Im nicht-risikorelevanten Kreditgeschäft werden die Anforderungen gesenkt. Die BaFin interpretiert die Proportionalitätsklausel der EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung5 so, dass im nicht-risikorelevanten Kreditgeschäft nach BTO 1.2.1 Tz. 1 MaRisk grundsätzlich Erleichterungen möglich sind. Voraussetzung ist, dass eine angemessene Risikobeurteilung erfolgt und verbraucherschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden.

Beispielsweise sind bei unbesicherten Verbraucherkrediten sowie Krediten an Kleinst- und Kleinunternehmen im nicht-risikorelevanten Bereich Sensitivitätsanalysen für mögliche negative Ereignisse nicht zwingend erforderlich. Auch für die Kreditwürdigkeitsprüfung können vereinfache Verfahren eingesetzt werden. Institute können sich in diesem Bereich darauf beschränken, nur die Merkmale ihrer Kreditnehmer abzufragen und die Unterlagen einzuholen, die für bewährte und validierte Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung notwendig sind.

Die Anlagen zu den EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung, die zahlreiche potenzielle Einflussfaktoren auf die Bonität von Kreditnehmern aufführen, sind dabei ausdrücklich nicht als Checklisten zu verstehen.

Überwachung der Immobilienpreisentwicklung

Auf ein jährliches Marktschwankungskonzept zur Überwachung der Immobilienpreisentwicklung wird verzichtet. SNCIs, deren Kreditbuch durch regional konzentrierte Engagements gekennzeichnet ist, dürfen auf den Einkauf fremder Daten verzichten. Voraussetzung ist, dass sie bereits aufgrund der eigenen Transaktionen einen hinreichenden Einblick in die Entwicklung der Immobilienmärkte gewinnen können.

Vereinfachungen im Berichtswesen

Die Anpassungen und Erleichterungen im Berichtswesen betreffen sowohl den Umfang als auch den Turnus der Berichterstattung. Der Berichtsteil zur Liquidität soll den Vorstand über die aktuelle Lage und Risiken informieren. Bei kleinen Instituten ist ein dreimonatiger Berichtsturnus angemessen, während kapitalmarktorientierte Kreditinstitute monatlich berichten müssen.

Der Berichtsteil zu Adressenausfallrisiken wird vierteljährlich aktualisiert, da sich in konjunkturellen Abschwungphasen kurzfristige Ereignisse bei Kreditnehmern häufen können. Hierfür genügen interne Berichte der Risikocontrollingfunktion. Das unterjährige Berichtformat sollte den Vorstand zeitnah über Entwicklungen informieren, ohne zusätzliche Berichte für die Aufsicht zu erfordern. Wenn keine relevanten Änderungen vorliegen, können Institute auf frühere Berichte verweisen.

Für Risikokategorien mit niedrigem Risikoappetit genügt unterjährig ein Hinweis auf die strategische Festlegung. Die Aktualisierung des Gesamtrisikoberichts in stabilen Geschäftsbereichen, wie dem nicht-risikorelevanten Kreditgeschäft oder dem Anlagebuch, darf in längeren Abständen als vierteljährlich erfolgen, da die strukturellen Merkmale der Kreditportfolien meist konstant bleiben. Der Gesamtrisikobericht muss Informationen zur Strategieüberwachung und Kapitalplanung enthalten, wobei die unterjährige Überwachung entfallen darf, wenn ein zusätzlicher Puffer von mindestens zwei Prozentpunkten vorgehalten wird.

Die Strategie und Prozesse müssen künftig nur alle zwei Jahre überprüft werden, was die BaFin bereits jetzt akzeptiert. Im Gesamtrisikobericht kann auch über die Sanierungsindikatoren und deren Abstand zu den gesetzten Schwellenwerten berichtet werden. Ein gesonderter Bericht zu den Sanierungsplanindikatoren ist nicht erforderlich.

Validierungsberichte für Risikomessmodelle können auf Berichte zentraler Dienstleister verweisen, ohne dass Institute eigene Berichtsteile erstellen müssen. Eine Repräsentativitätsprüfung ist jedoch erforderlich, um sicherzustellen, dass der Datenpool dem eigenen Portfolio entspricht und Parameter wie beispielsweise die Ausfallwahrscheinlichkeit angemessen sind.

Die Notwendigkeit einer Status-quo-Analyse

Die konkrete Ausgestaltung der Anforderungen folgt dem Proportionalitätsprinzip. Die meisten Institute sind sich ihrer Einstufung als SNCI bewusst, weil sie beispielsweise im Kontext der Liquiditätsquote, Offenlegungspflichten und des Meldewesens bereits Erleichterungen in Anspruch nehmen.

Im Rahmen des Risikomanagements werden jedoch oftmals noch überhöhte Anforderungen mit entsprechendem Aufwand umgesetzt. Eine Gap-Analyse der Anforderungen der MaRisk und möglichen Erleichterungen mit der aktuellen Umsetzung bietet das Potenzial, Kosten und Ressourcen einzusparen.

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Quellen
Marco Lesser

Marco Lesser

ist Wirtschaftsingenieur und bei msg for banking auf Risikomanagement spezialisiert. Als Manager betreut er Projekte zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen in den Themen ICAAP, Risikosteuerung und Validierung. Außerdem ist er Autor von Fachartikeln und als Referent tätig.

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