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Corporate Treasury im Spannungsfeld von Zinswende und Währungsrisiken

Das Corporate Treasury muss die zahlungsstromorientierten Finanzmittel zur Innen- und Außenfinanzierung erfassen und steuern. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zins- und Marktentwicklung werfen wir nachfolgend einen Blick auf Herausforderungen und Chancen im Management von Zins- und Währungsrisiken in Unternehmen. Außerdem zeigen wir, wie der Einsatz von Instrumenten zum Management dieser Risiken aktiv zum Unternehmenserfolg beiträgt.

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Corporate Treasury

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Herausforderungen und Chancen im aktuellen Marktumfeld

In den vergangenen drei Jahren war das Zinsumfeld von extremer Volatilität geprägt: Nach der Phase historisch niedriger Zinssätze folgten ab 2022 massive Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die US Federal Reserve. Im vergangenen Jahr setzte sich daraufhin eine deutliche Zinssenkung fort, die aktuell zu neuen Anforderungen an Unternehmen und deren Finanzierungsstrategien führt.1

Parallel dazu zeigt der Wechselkurs EUR/USD seit über zwei Jahren erhebliche Schwankungen. So fiel der Euro-Kurs im Januar 2025 auf ein Tief von etwa 1,03 bevor er bis April auf rund 1,18 anstieg. Diese Dynamik ist aktuell schwer vorhersehbar, nicht zuletzt im Licht der volatilen US-Handelspolitik unter der derzeitigen US-Administration, deren Amtszeit maßgeblich zur Kursentwicklung beitrug.

Diese Entwicklungen stellen das Corporate Treasury vor einige Herausforderungen.

Corporate Treasury, Kursentwicklung EUR/USD von 07/2024 bis 07/2025

Abbildung 1: Entwicklung des EUR/USD-Kurses zwischen dem 29.07.2024 und dem 29.07.2025 (Quelle: Marktdatenanbieter SIX)2

So ist vor diesem Hintergrund für Unternehmen ein aktives Zins- und Währungsmanagement wichtiger denn je. Wechselkursrisiken, insbesondere im EUR/USD-Kurs, sowie Zinsrisiken beeinflussen Kosten und Margen. Die jüngste Einigung zwischen den USA und der EU über ein neues Zollabkommen – mit einem pauschalen Zollsatz von 15 % auf die meisten EU-Exportgüter in die USA und Nullzöllen für US-Produkte bei strategisch relevanten Gütern – trägt zwar zur kurzfristigen Berechenbarkeit bei, die letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass insbesondere Exposures gegenüber den USA gezielt gesteuert und abgesichert werden müssen.

Grundlagen: Zins- und Währungsrisiken im Unternehmen

Zins- und Währungsrisiken zählen zu den zentralen finanziellen Risiken international tätiger Unternehmen, insbesondere in einem Umfeld geopolitischer Spannungen, volatiler Märkte und sich verändernder Handelsbeziehungen. Für eine gezielte Steuerung dieser Risiken ist es notwendig, sie zunächst präzise zu identifizieren und abzugrenzen. Ausgangspunkt dafür ist die Analyse der Geschäftsmodelle, Zahlungsströme und Kapitalstrukturen.

Währungsrisiken entstehen typischerweise, wenn ein Unternehmen operative Zahlungsströme, etwa aus Einkauf oder Vertrieb, in einer anderen Währung abwickelt als in der funktionalen Währung der Buchhaltung. Besonders relevant ist das EUR/USD-Währungsverhältnis, da viele Rohstoffe, Technologien und Investitionsgüter in US-Dollar fakturiert sind. Auch Verträge in Emerging-Market-Währungen wie dem Renminbi Yuan oder Brasilianischen Real bergen zusätzliche Unsicherheiten. Neben diesen sogenannten Translations- und Transaktionsrisiken können auch ökonomische Währungsrisiken auftreten, etwa durch veränderte Wettbewerbspositionen aufgrund von Wechselkursverschiebungen.

Zinsrisiken ergeben sich vorrangig aus Finanzierungs- oder Anlagepositionen. Für Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil oder einer bedeutenden Liquiditätsreserve sind diese Risiken besonders relevant. Auch aus bilanzieller Sicht ist eine differenzierte Betrachtung notwendig: Nach IFRS und HGB können sich Zins- und Währungsschwankungen direkt auf die GuV oder das Eigenkapital auswirken, je nachdem, ob ein Hedge-Accounting-Verhältnis besteht und wie die Absicherung gestaltet ist. Die exakte Definition von Risikoexposures und deren Reporting sind somit nicht nur operative, sondern auch bilanzpolitische Aufgaben.

Ein effektives Risikomanagement beginnt daher mit einer systematischen Bestandsaufnahme und einer Zuordnung der Risiken nach operativen, finanziellen und bilanziellen Quellen. Darauf aufbauend lassen sich zielgerichtete Strategien zur Absicherung und Steuerung entwickeln, die im Folgenden näher erläutert werden.

Strategien zur Absicherung von Risiken

Die Auswahl geeigneter Strategien zur Absicherung von Zins- und Währungsrisiken stellt einen zentralen Bestandteil eines professionellen Corporate-Treasury-Managements dar. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Verlusten, sondern vor allem um die Schaffung von Planungssicherheit und die gezielte Steuerung finanzieller Spielräume. Grundlage jeder Strategie ist die klare Einordnung des Risikos, ob es sich um transaktionale, ökonomische oder bilanzielle Risiken handelt und dessen Integration in das Gesamtbild der Unternehmensfinanzierung.

Im Bereich des Währungsmanagements unterscheiden sich grundsätzlich drei strategische Stoßrichtungen: die Transaktions-, die ökonomische sowie die bilanzielle Absicherung.

Die Transaktionsabsicherung zielt auf konkrete Zahlungsströme in Fremdwährung, beispielsweise aus Export- oder Importgeschäften. Sie erfolgt meist durch standardisierte Instrumente wie Devisentermingeschäfte (Forwards), Währungsoptionen oder Währungsswaps. Während Forwards einen festen Wechselkurs für zukünftige Zahlungen sichern, bieten Optionen größere Flexibilität, etwa wenn Unternehmen sich gegen Verluste absichern, aber von günstigen Marktentwicklungen dennoch profitieren wollen.

Eine weitere Form ist die ökonomische Absicherung, die strukturelle Risiken adressiert. Hierbei geht es nicht um einzelne Transaktionen, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens insgesamt, beispielsweise bei anhaltenden Wechselkursverschiebungen. Maßnahmen wie das sogenannte Natural Hedging, also die Ausbalancierung von Zahlungsströmen in derselben Währung, oder eine gezielte Verlagerung von Produktionsstandorten in Fremdwährungsräume sind typische Ansätze.

Die bilanzielle Absicherung richtet sich vor allem auf Fremdwährungspositionen innerhalb der Konzernbilanz, etwa durch Nettoinvestitionen in ausländische Tochtergesellschaften. Hier kann ein sogenannter Balance Sheet Hedge sinnvoll sein, der etwa durch Intercompany-Finanzierungen in der jeweiligen Fremdwährung erreicht wird.

Auch für das Zinsrisikomanagement stehen verschiedene Strategien zur Verfügung. Im Zentrum steht hier die Frage, wie sich Unternehmen gegenüber künftig steigenden oder fallenden Zinsen absichern können. Klassische Instrumente sind Zinsswaps, mit denen variable Zinszahlungen in feste Zahlungen transformiert werden, sowie Zinscaps und -floors, die eine Bandbreite vorgeben und damit mehr Flexibilität bieten. Swaptions (Optionen auf Swaps) erlauben es, auf erwartete Zinsentwicklungen zu reagieren, ohne sich sofort binden zu müssen.

In der Praxis empfiehlt sich ein integrierter und portfoliobasierter Ansatz, bei dem Zinsrisiken über alle Finanzierungspositionen hinweg konsolidiert gesteuert werden. Hierbei kommen Methoden wie Gap-Analysen, Duration-Matching und Value-at-Risk-Berechnungen zum Einsatz. Diese ermöglichen eine quantitative Steuerung, die an die jeweilige Risikobereitschaft und Marktmeinung des Unternehmens angepasst ist.

Wesentlich für den Erfolg jeder Absicherungsstrategie ist deren Einbindung in die übergeordnete Treasury- und Unternehmensstrategie. Klare Hedging Policies, die Quoten, Laufzeiten, Reporting- und Dokumentationspflichten definieren, bilden das Rückgrat eines professionellen Ansatzes. Zusätzlich müssen die eingesetzten Maßnahmen mit den bilanzrechtlichen Vorgaben (zum Beispiel IFRS 9 oder drittes Buch HGB) abgestimmt sein, um bilanzielle Volatilität zu vermeiden und die Effektivität der Absicherung im Rahmen von Hedge Accounting nachweisen zu können.

Auswahl geeigneter Absicherungsinstrumente

Die Auswahl geeigneter Instrumente zur Absicherung von Zins- und Währungsrisiken richtet sich nach der individuellen Risikostruktur des Unternehmens sowie regulatorischen, bilanziellen und wirtschaftlichen Anforderungen. Entscheidende Kriterien sind das Absicherungsvolumen, die Laufzeit der Exposures sowie die bilanzielle Behandlung nach IFRS oder HGB.

Während standardisierte Termingeschäfte und Optionen für kleinere oder kurzfristige Risiken geeignet sind, erfordern umfangreiche oder langfristige Exposures meist strukturierte Derivate wie Swaps oder Swaptions sowie Collars (zur Definition und Absicherung einer Zinsunter- und einer Zinsobergrenze). Die Wahl hängt zudem vom gewünschten Grad an Flexibilität und den damit verbundenen Kosten ab.

Von zentraler Bedeutung ist auch die Einbindung der Absicherungsstrategie in die Treasury-Policy. Diese sollte klare Richtlinien für zulässige Instrumente, Hedging-Quoten und Entscheidungsprozesse definieren. Unterstützt wird dies durch moderne Treasury-Management-Systeme, die eine transparente und revisionssichere Umsetzung ermöglichen.

Letztlich ist die Auswahl der Instrumente kein statischer Akt, sondern erfordert eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung an Marktveränderungen sowie unternehmensstrategische Zielsetzungen.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Unabhängig von der Unternehmensgröße ist es wichtig, Zins- und Währungsrisiken systematisch zu steuern. Entscheidend ist dabei ein pragmatischer Ansatz, der sich an den verfügbaren Ressourcen und Kapazitäten orientiert. Die Risikoidentifikation und das Monitoring sollten als kontinuierlicher Prozess etabliert werden, unterstützt durch einfache Tools oder gegebenenfalls externe Partner.

Für große Unternehmen empfiehlt sich häufig eine umfassendere Governance-Struktur. Mittelständler hingegen profitieren von schlanken Lösungen: Treasury-Funktionen müssen nicht in einer eigenen Abteilung gebündelt sein, sondern lassen sich auch effektiv in bestehende Finance- oder Accounting-Teams integrieren. Ein formelles Treasury-Komitee ist in diesen Fällen nicht zwingend erforderlich, zentrale Entscheidungen können pragmatisch auf Leitungsebene abgestimmt und dokumentiert werden.

Zudem helfen einfache Hedging-Richtlinien und standardisierte Instrumente, die operative Umsetzung effizient zu gestalten. Technologische Unterstützung, etwa durch Corporate-Treasury-Management-Systeme oder spezialisierte Anwendungen, ist hilfreich, aber keine Grundvoraussetzung. Auch regelmäßige Schulungen und ein grundlegendes Verständnis für Risiken und Märkte im Finanzbereich leisten einen wesentlichen Beitrag.

Nicht zuletzt kann externe Beratung sinnvoll sein, insbesondere zur Validierung bestehender Prozesse oder bei der Einführung neuer Instrumente. Entscheidend ist, dass Themen des Corporate Treasurys nicht als isolierte Spezialdisziplin betrachtet werden, sondern als integrierter Bestandteil einer stabilen Finanzstrategie.

Fazit und Ausblick

Das Marktumfeld der vergangenen Quartale hat eindrücklich gezeigt, dass Zins- und Währungsrisiken für Unternehmen jeder Größe wieder deutlich an Relevanz gewonnen haben. Die Zeiten verlässlicher Stabilität sind vorbei – ausgelöst durch geldpolitische Wendepunkte, geopolitische Spannungen und neue handelspolitische Rahmenbedingungen wie das jüngste US-EU-Zollabkommen.

Unternehmen sollten ihre Risikopositionen deshalb regelmäßig analysieren, geeignete Absicherungsstrategien entwickeln und diese wirksam in ihre Finanzprozesse integrieren, angepasst an individuelle Kapazitäten und Strukturen. Treasury-Funktionen können dabei schlank und pragmatisch aufgesetzt werden, etwa eingebettet in bestehende Finanzbereiche.

Gleichzeitig gilt: Wer aktiv steuert, kann Risiken nicht nur begrenzen, sondern auch neue Handlungsspielräume schaffen. Ein strukturiertes Treasury trägt so messbar zum unternehmerischen Erfolg bei.

Wir unterstützen Sie dabei mit einem umfassenden Leistungsportfolio:

  • Individuelle Steuerung des Corporate Treasury entlang strategischer Initiativen und Geschäftsziele,
  • Analyse und Optimierung von Liquidität, Finanzierung und Investitionen, inklusive Cashflow-Management und Finanzierungskonzepten,
  • Entwicklung individueller Hedging-Strategien sowie Unterstützung bei regulatorischer Compliance,
  • Auswahl, Einführung und Optimierung von Treasury-Management-Systemen, Automatisierung und Zugang zu relevanten Marktdaten.

Wir unterstützen Sie bei der Umsetzung gezielter Maßnahmen

Unabhängig von der Größe Ihres Unternehmens schaffen wir gemeinsam ein passgenaues Treasury Management, das strategisch mitdenkt, Risiken minimiert und Ihre finanzielle Handlungsfähigkeit sichert.

Quellen
Max Winkler

Max Winkler

ist Betriebswirt und bei msg for banking in der Beratung von Kreditinstituten in Projekten zu den Themen der Bank- und Risikosteuerung tätig. Er verfügt über Erfahrungen im Sparkassensektor mit dem Fokus auf Treasury und regulatorischen Themenstellungen. Darüber hinaus beschäftigt er sich auch mit Fragestellungen aus dem Corporate Treasury Management.

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