Löschung der Restschuldbefreiung in den SCHUFA-Daten – Scoring- und Ratingverfahren jetzt fehlerhaft?
Die SCHUFA hat verkündet, ab dem 28. März 2023 Restschuldbefreiungen, die älter als sechs Monate sind, aus ihren Daten zu löschen. Das hat Auswirkungen auf den SCHUFA-Score von 250.000 Personen und damit auf die Trennschärfe und Kalibrierung des SCHUFA-Scores insgesamt. Was bedeutet das für Kreditinstitute und was müssen sie jetzt zu tun?
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Die SCHUFA hat am 28. März 2023 verkündet, Restschuldbefreiungen, die älter als sechs Monate sind, innerhalb der folgenden vier Wochen aus ihren Daten zu löschen. Sie folgt damit der Ansicht eines Gutachters am Europäischen Gerichtshof und des Generalanwalts Pikamäe1, dass eine solche Information nicht länger als im öffentlichen Insolvenzregister gespeichert werden darf.
SCHUFA-Scores im Antragsprozess
Für eine optimierte Antragsentscheidung, für die richtige Einstufung im internen Rating sowie für die nächste Maßnahme im Forderungsmanagement: Die aussagekräftigsten Merkmale des Kunden, insbesondere sein bisheriges Zahlungsverhalten, die Geschäftsbeziehung und die finanzielle Situation, werden durch ein mathematisch-statistisches Verfahren in einer Zahl verdichtet, im sogenannten Score. Dieser Score wird in der Regel in eine Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) übersetzt.
Was aber tun, wenn ein neuer Konsument durch die Tür kommt, von dem die Bank selbst keine Daten hat, oder wenn sie nur eine eingeschränkte Geschäftsbeziehung mit einer privaten Person hat, wie etwa bei einem Konsumentenkredit? Viele Banken beziehen in einem solchen Fall Daten und Scores von der SCHUFA, der bekanntesten Kreditauskunftei Deutschlands. Der Vorteil liegt auf der Hand: Nicht die eigene Erfahrung mit dem Kunden ist entscheidend, sondern die aktuelle, gebündelte Erfahrung vieler Unternehmen kann genutzt werden.
Obwohl die SCHUFA auf dem „Gegenseitigkeitsprinzip“ aufbaut – also die Unternehmen, die Daten abfragen, sollen die Informationen zu ihren Geschäftsbeziehungen auch einmelden – kann die SCHUFA nicht alle Detailinformationen weitergeben, sondern nur konkrete Angaben zu Konten und Krediten oder öffentlich verfügbaren Daten. Weitere Informationen, die sie durch die Kombination verschiedener Einmelder erhält wie die Anzahl Adresswechsel oder die Anzahl bestimmter Vertragsanträge, liefert die SCHUFA aggregiert im Basisscore und in spezifischen Branchenscores. Diese Scores finden oft Eingang in interne Risikoklassifizierungsverfahren von Kreditinstituten.
Löschung von Restschuldbefreiungen älter als sechs Monate
Durch den Verlust des Merkmals „Restschuldbefreiung in den letzten drei Jahren“ bzw. den Ersatz dieses Merkmals durch „Restschuldbefreiung in den letzten sechs Monaten“ werden die SCHUFA-Scores von ca. 250.000 Menschen beeinflusst. Konkret wird der Score dieser Personen besser, da eine als negativ eingestufte Information wegfällt. Ist das ein Problem?
Die SCHUFA lässt sich nicht in die Karten schauen, wie genau der Score gebildet wird. In der Pressemitteilung vom 28. März 2023 argumentiert die SCHUFA, dass sie „keine grundlegenden Auswirkungen auf die Art und Weise der Score-Berechnung und die Güte des Verfahrens“ sehe.2 Tatsächlich bedeutet der Wegfall dieser Information für die SCHUFA-Scores, dass die Trennschärfe sinkt und die Genauigkeit des Scores abnimmt. Warum ist das so?
Aufgrund der geringen Fallzahl (rd. 250.000 Personen) hat die verkürzte Speicherfrist jedoch keine grundlegende Auswirkungen auf die Art und Weise der Scoreberechnung und die Güte des Verfahrens.
SCHUFA
Das Merkmal Restschuldbefreiung wird von der SCHUFA als Negativmerkmal geführt, das in der Regel zu Scorenoten von N bis P führt. Da auch mit der Insolvenz erlassene Zahlungsverpflichtungen gelöscht werden, wird ein großer Teil der vom Wegfall des Merkmals betroffenen 250.000 Personen ab dem Zeitpunkt der Umstellung keine weiteren „harten Negativmerkmale“ mehr haben und in die besseren Scorenoten zwischen A und M einsortiert werden. Die Scoreverteilung wird „enger“ um die mittleren Scores, also weniger trennscharf. Wenn die Einstufung der Restschuldbefreiung durch die SCHUFA als negativ korrekt ist, müssen die Scoreklassen, in die die zusätzlichen Kunden einsortiert werden, konsequenterweise im Durchschnitt eine (unwesentlich) höhere Ausfallrate aufweisen.
Es ist unklar, ob die SCHUFA durch eine neue Einteilung der Scores in die Scorenoten sicherstellen wird, dass die Scorenoten ihre bisherige Aussage bzgl. Ausfallwahrscheinlichkeit behalten. Aber selbst im Fall einer solchen Rekalibrierung werden die betroffenen Kunden, die nach der ursprünglichen Bewertung ein höheres Risiko darstellen, auf Klassen verteilt, die ein geringeres Risiko ausweisen.
Es ist auch möglich, dass die SCHUFA die Gewichtung der übrigen Scorekartenmerkmale so nachjustiert, dass der Effekt des Trennschärfeverlusts von korrelierenden Merkmalen ein wenig kompensiert wird. So oder so werden einige Kunden vor und nach der Umstellung unterschiedliche Scores und Scorenoten erhalten. Sicher ist, dass manche Kunden durch den Wegfall der Restschuldbefreiung in den Daten profitieren werden, aber möglicherweise auch andere Personen, die durch Rekalibrierung oder Nachjustierung in eine benachbarte Scorenote rutschen.
Was bedeutet die Änderung am SCHUFA-Score für die Nutzer?
Wie dargestellt ist, sind Trennschärfe und Prognosegüte (Kalibrierung) von Risikoklassifizierungsverfahren betroffen, in die der SCHUFA-Score eingeht. Wie gravierend die Auswirkungen für verschiedene Anwendungszwecke der SCHUFA-Scores ist, lässt sich ohne Analysen nicht genau sagen. Gerade in der Anwendungsentscheidung könnte sich der Wegfall einer als negativ eingestuften Information auswirken, da hier einerseits in der Regel weniger eigene Daten in die Entscheidung einfließen und andererseits der Fokus gerade auf der Entscheidung der weniger bonitätsstarken Kundinnen und Kunden liegt.
Eine Rekalibrierung der Erwartung ist ohne das Merkmal „Restschuldbefreiung in den letzten drei Jahren“ nicht ohne weiteres möglich, weil die Auswirkungen auf den eigenen Daten ohne einen Vorher-Nachher-Vergleich nicht quantifiziert werden können. Eine Herausforderung wird dies insbesondere für IRBA-Institute, die den Einfluss der Umstellung abschätzen müssen, um ihn im Rating durch eine Sicherheitsspanne abzudecken.
Erschwerend kommt hinzu, dass auch die eigene Datenhistorie betroffen sein kann, die für zukünftige Simulationen von Änderungen im Antragsprozess oder Weiterentwicklung von Scorekarten genutzt werden sollte. Denn bis zum Zeitpunkt der Umstellung enthalten die abgespeicherten SCHUFA-Daten und -Scores das Merkmal — danach nicht mehr. Um eine vollständig saubere Datenbasis zu haben, müssten Kreditinstitute sich bei allen Aktivitäten ausschließlich auf Daten nach der Umstellung stützen.
Was müssen Nutzer des SCHUFA-Scores tun?
Eine Veränderung von im Risikomanagement genutzten Daten ist immer kritisch. Auch wenn die SCHUFA die Auswirkungen der Umstellung für gering hält, kann dies in einem konkreten Kontext oder einem speziellen Portfolio ganz anders aussehen. Daher ist zuallererst das Institut aufgefordert, die Auswirkungen in seinen Prozessen zu beurteilen.
Ob die SCHUFA dabei unterstützt, die Auswirkung der Löschung von 250.000 Restschuldbefreiungen für ihre Kunden zu analysieren, ist derzeit nicht bekannt. Sprechen Sie Ihren Kontakt an! Mit einem direkten Vergleich lässt sich der Impact genau darstellen und das eigene Modell nachjustieren.
msg for banking unterstützt Sie bei der Entwicklung und Validierung Ihrer Modelle und berät Sie bei konkreten Fragen. Wir erwarten einen größeren Einfluss auf Antragsentscheidungsverfahren durch die Datenlöschung. Aber auch IRBA-Institute, die den SCHUFA-Score in ihrem Privatkundenrating einsetzen, werden vor der Herausforderung stehen, die Veränderung einwerten zu müssen.
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