Variables Geschäft – bewährtes Modell, neue Umsetzung
Variables Geschäft neu umgesetzt: Während Gleitzinsen zur Abbildung des variablen Geschäfts seit mehreren Jahrzehnten etabliert sind, unterliegt die praktische Umsetzung ständigen Änderungen. Das Ende der Niedrigzinsphase machte eine erneute Anpassung im Vorgehensmodell erforderlich.

- Mischungsverhältnisse variabler Geschäfte in der Niedrigzinsphase
- Hinterfragen bisheriger Annahmen im Positiv-Zinsumfeld
- Anpassungen des aktuellen Vorgehensmodells
- Zeitreihenanalyse vs. Expertenschätzung
- Liquiditäts-Mischungsverhältnisse
- Auswirkung auf Risikokennzahlen und Vertriebscontrolling
- Anforderungen an Dokumentation und Entscheidungsvorlagen
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Die Geschäftsfeldrechnung: Praxishinweise
Variables Geschäft – Mischungsverhältnisse in der Niedrigzinsphase
Der erste fundamentale Systembruch innerhalb des Konzeptes gleitender Durchschnitte ereignete sich im Zuge der Niedrigzinsphase.
Zuvor wurden mittels historischer Zeitreihenanalyse und/oder Expertenschätzungen in Form einer Zukunftsanalyse Mischungsverhältnisse festgelegt. Die Betrachtung von Volumenschwankungen war zwar fachlich gelöst, wurde in der Praxis jedoch selten angewendet.
Im Niedrigzinsumfeld wurden häufig starke Volumenzuwächse auf Sichteinlagenkonten beobachtet. Grund für das Verbleiben der wachsenden Bestände in den Sichteinlagen war da das Fehlen von verzinsten Alternativprodukten.
Dies rückte die Betrachtung von Risiken aus Volumenschwankungen in den Fokus: „Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen und unsere Kunden ihre Gelder aus den Sichteinlagen abziehen?“
In der Praxis wurden Annahmen dazu getroffen, wie sich das Gesamtvolumen in den Sichteinlagen unter normalen Umständen entwickelt haben könnte. Ausgehend vom Bestand vor der Niedrigzinsphase wurden Wachstumsannahmen getroffen und anhand dieser Annahmen der Bestand in „echte Sichteinlagen“ und „potenziell abflussgefährdete Bestände“ unterteilt.
Dieses Vorgehen war fachlich gut nachvollziehbar, regelbasiert umzusetzen und hielt Prüfungen der Aufsicht stand.
Hinterfragen bisheriger Annahmen im Positiv-Zinsumfeld
Die Akzeptanz innerhalb der Banken und durch die Aufsicht sowie das gut nachvollziehbare Regelwerk zur Umsetzung verleitet in der Praxis dazu, dauerhaft gemäß bestehender Prozessbeschreibung und interner Checklisten vorzugehen.
Wichtig ist jedoch zu erkennen, worin das Vorgehensmodell begründet war und ob diese Umstände weiterhin gelten.
Die ursprüngliche Fragestellung „Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen?“ kann nun beantwortet werden.
Die Marktzinsen sind seit Mitte 2022 stark gestiegen und seither deutlich positiv. Neben Umschichtungen innerhalb der Banken fanden auch Abflüsse zu anderen Instituten statt.
Das macht die Betrachtung von Risiken aus Volumenschwankungen nicht überflüssig. Aber um die Zinsänderungsrisiken weiterhin korrekt abzubilden, muss man das Vorgehensmodell aus der Niedrigzinsphase grundlegend ändern.
Anpassungen des aktuellen Vorgehensmodells
Die Aufteilung variabler Produkte in einen langfristig vorhandenen Sockelbetrag und einen kürzer zu disponierenden Anteil, der Volumenschwankungen unterliegt, ist weiterhin in vielen Produkten fachlich sinnvoll.
Die Herangehensweise zur Ermittlung dieses Sockelbetragen sollte jedoch angepasst werden: Weg von einer Betrachtung des Volumens vor der Niedrigzinsphase mit Anwendung eines Formelwerkes zum Fortschreiben einer möglichen Entwicklung, hin zu beobachtbaren Daten. Im Fokus sollten folgende Fragestellungen stehen:
- Wie stark waren die Volumenabflüsse aufgrund der Marktzinsänderungen in den einzelnen Positionen?
- Welcher Anteil kann immer noch als kurz- und mittelfristig abflussgefährdet betrachtet werden?
- Passen diese Zahlen zur internen Vertriebs- und Gesamthausplanung unter den steuerungsrelevanten Zinsprognosen?
Hinzu kommt, dass das Zinsänderungs-Mischungsverhältnis an sich in der Niedrigzinsphase oft nicht im Detail behandelt wurde. Auch dies ist auf die untypische Datenlage in dieser Zeit zurückzuführen.
Historische Analysen haben in der Niedrigzinsphase aufgrund des Floors im Kundenzins sowie untypisch verlaufender Gleitzinsen enorm an Aussagekraft verloren.
Eine Zukunftsanalyse – als Alternative oder Ergänzung zu einer historischen Analyse – war aber ebenso erschwert. Da in dieser Zeit keine Produkte mit nennenswerter Verzinsung angeboten wurden, konnten Informationen über eventuell geändertes Kundenverhalten nicht abgeleitet werden. Dieses Fehlen aktueller Daten führte konsequenterweise oft zu einer Bestätigung der bestehenden Mischungsverhältnisse.
Zeitreihenanalyse vs. Expertenschätzung
Der Zeitraum nach 2022 ist noch nicht ausreichend lang, um statistische Zeitreihenanalysen belastbar durchführen zu können. Eine Mischung aus einer Analyse der vorhandenen Daten sowie einer Expertenschätzung in Form einer Zukunftsanalyse kann jedoch zu besseren und teilweise deutlich veränderten Mischungsverhältnissen führen.
Das Vorgehen zur Festlegung der Mischungsverhältnisse ist ebenso anzupassen.
Die Niedrigzinsphase stellt einen fundamentalen Bruch in den Produktzeitreihen dar, so dass eine Analyse auf langen Zeitreihen fachlich nicht sinnvoll ist. Kürzere Zeitreihen können und sollten verwendet werden, um eine fachlich korrekte Abbildung zu ermöglichen. Hierbei sollten saisonale Schwankungen und Mittelfristplanungen erneut in den Vordergrund gestellt werden. Zusätzliche Zukunftsanalysen und Expertenschätzungen ergänzen dies.
Liquiditäts-Mischungsverhältnisse
Liquiditäts-Mischungsverhältnisse sind ein weiterer fachlicher Aspekt, der zunehmend Beachtung findet. Auch hier war die Situation so, dass aufgrund fehlender Umschichtungen und stetig wachsender Bestände nur schwer fachlich treffende Ergebnisse abgeleitet werden konnten.
Ähnlich den Überlegungen zu Sockelbeträgen können aber nun auch die Liquiditätsannahmen dahingehend überprüft werden:
- Wie lange verbleiben Gelder in einem bestimmten variablen Produkt?
- Welcher Anteil des Gesamtvolumens ist dauerhaft vorhanden und welcher Anteil ist abflussgefährdet?
Auswirkung auf Risikokennzahlen und Vertriebscontrolling
Die beschriebenen Anpassungen des Vorgehens an die geänderte Marktsituation sind notwendig, um die Risiken adäquat abzubilden.
In welche Richtung sich berechnete Risikokennzahlen durch die Anpassungen bewegen, darf hierbei allerdings nicht relevant sein.
In unterschiedlichen Beratungsprojekten konnte ein klarer Trend erkannt werden: In Summe über alle Produkte einer Bank erfolgte eine Verlängerung der Duration passivischer Zinsänderungs-Mischungsverhältnisse. Häufig wurden diese zwar im Zinsanpassungskontext kürzer ausgestaltet, um die Kundenbindung zu stärken, jedoch wurde dies durch die Auswirkungen der Sockelanpassung deutlich überlagert.
Der hohe Pufferanteil in einer kurzen Laufzeit konnte im Vertriebscontrolling zu stark schwankenden Margen führen. Dieser Effekt wird durch die Überarbeitung der Sockelbeträge gemindert.
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden: Die gestiegenen Zinsen und der dadurch entstandene Bedarf zur Anpassung der Mischungsverhältnisse führt zu einer Reduktion von Annahmen und damit zu einer Verbesserung der Qualität der Risikomessung, stabilisiert zudem die Vertriebskennzahlen und entlastet häufig sogar die Risikoauslastung der Institute.
Anforderungen an Dokumentation und Entscheidungsvorlagen
Ein Modellwechsel mit positiver Auswirkung auf Risikokennzahlen sollte stets sehr gut begründet werden, da solche Änderungen kritischen Fragen von internen und externen Prüfern standhalten müssen.
Somit besteht der Dokumentationsaufwand nicht nur darin, das bestehende Vorgehen – angefangen bei internen Checklisten und Ablaufbeschreibungen bis hin zu Dokumentationen und Entscheidungsvorlagen – an einzelnen Stellen anzupassen.
Vielmehr ändert sich das Analysevorgehen im Vergleich zur Niedrigzinsphase so deutlich, dass auch die Dokumentationen in weiten Teilen angepasst werden müssen.
Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, ist aber eine saubere Argumentation möglich. In der Niedrigzinsphase mussten Annahmen getroffen werden, um unter gegebenem Informationsstand die Risiken möglichst gut abzubilden. Nach Ende der Niedrigzinsphase müssen diese Annahmen hinterfragt werden, und ein Bruch im Vorgehen ist unausweichlich.
In der Praxis bietet es sich bei einer Vertriebssteuerung über Margen an, diesen Bruch durch die Änderung der Mischungsverhältnisse zum Jahreswechsel durchzuführen.
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