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Geschäfts- und risikopolitische Auswirkungen eines Small-Banking Regimes sowie reformierter Eigenmittelanforderungen

Wir beleuchten nachstehend die Auswirkungsdimensionen beider regulatorische Initiativen der BaFin und Bundesbank in Bezug auf Vertrieb, Produktion und Steuerung von Kreditinstituten.

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Small-Banking Regime / small banking regime

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Vorbemerkung

In unserem ersten Beitrag „Small-Banking Regime – ein Vorstoß von BaFin und Bundesbank“ der Trilogie haben wir Ihnen die konzeptionellen Überlegungen des Non-Papers vorgestellt.

Der zweite Beitrag „Reduzierung der regulatorischen Komplexität in den Eigenmittelanforderungen: Ein Lösungsansatz von BaFin und Bundesbank“ beschäftigte sich mit den konzeptionellen Überlegungen zu einer Vereinfachung der normativen Kapitalanforderungen, der Entflechtung von Kapital- und Abwicklungsrahmen sowie Vereinfachungen in Bezug auf die Kapitalpuffer.

In beiden Beiträgen stand für uns zunächst die Information über die Inhalte der Non-Papers im Vordergrund. Daher wollen wir nun an dieser Stelle mit dem folgenden Beitrag die geschäfts- und risikopolitischen Auswirkungen dieser Initiativen beleuchten.

1. Initiative Small-Banking Regime (SBR)

Fokus Kapitalsteuerung:
Mehr Einfachheit, weniger Komplexität – Die normative Perspektive im Wandel

Aus Sicht des Risikocontrollings bedeutet das Small-Banking Regime einen grundlegenden Perspektivwechsel in der normativen Risikosteuerung. Die bisherige, stark aus den risikogewichteten Aktiva getriebene Kapitalplanung verliert an Bedeutung. Stattdessen rückt die Leverage Ratio als zentrale Steuerungsgröße in den Mittelpunkt – einfach, transparent und direkt mit der Bilanz verknüpft. Künftig bildet ein einziger CET1-Leverage-Quotient die zentrale Kapitalanforderung. Die bisher aufwendige Berechnung risikogewichteter Aktiva sowie die komplexe Kapitalquotenstruktur mit Pufferanforderungen wie CCoB oder CCyB werden dadurch deutlich reduziert. Damit soll die normative Perspektive robuster ausgestaltet werden, verliert jedoch zugleich an Risikosensitivität.

Für die Steuerung heißt das: Fokus auf absolute Kapitalstärke und Bilanzstruktur, nicht auf Risikogewichte. Das erfordert Anpassungen in Planung, Limitsystemen und Risikostrategie – weg von Komplexität, hin zu Klarheit und Stabilität.

Fokus Pricing:
Margenspielräume durch geringere Compliance- und Verwaltungskosten

Das Non-Paper der Bundesbank zum Small-Banking Regime soll kleinere Banken durch vereinfachte Melde-, Governance- und Offenlegungspflichten entlasten.

Für das Pricing im Kreditgeschäft bedeutet dies: geringere Compliance- und Verwaltungskosten senken Fixkosten, vereinfachte Eigenkapitalmessung stabilisiert Kalkulationsgrundlagen, und geringerer Dokumentationsaufwand reduziert „Komplexitätsaufschläge“.

Dadurch entstehen Margenspielräume, die teils in günstigere Kreditkonditionen übersetzt werden könnten. Entscheidend bleibt jedoch, wie viel Marge bzw. Gewinn ein Institut einpreist bzw. geschäftspolitisch benötigt– abhängig von Wettbewerb, Marktsegment und Geschäftsstrategie. Während wettbewerbsintensive Bereiche Kostenvorteile eher an Kunden weitergeben, dienen sie andernorts eher der Eigenkapitalstärkung und Rentabilität.

Fokus Vertrieb:
Geringerer administrativer Aufwand und Komplexitätsreduktion

Durch die möglichen Anpassungen können Banken mit einem klassischen Geschäftsmodell und geringeren Risiken die weniger komplexen Vorgaben mittelbar nutzen. Zwar resultieren aus dem vorgeschlagenen Rahmenwerk keine konkreten Erleichterungen für den Vertrieb, aber die weniger komplexen regulatorischen Vorgaben ermöglichen es den Banken, den administrativen Aufwand der Vertriebsmitarbeiter zu reduzieren und so Kapazitäten zielgerichteter einzusetzen oder freie Kapazitäten für zusätzliche Vertriebsaktivitäten zu nutzen. Auch bei der Einführung neuer Produkte im Vertrieb kann von der zurückgehenden Komplexität profitiert werden, da die geringere Komplexität im Meldewesen und bei der Kapitalunterlegung die Abstimmungszeiten zwischen Vertrieb, Risikomanagement und Compliance innerhalb der Einführungsprozesses reduzieren kann.

Fokus Treasury:
Chancen und Risiken

Obwohl die Non-Paper keine direkten Auswirkungen auf die Refinanzierung und die Liquiditätssteuerung von Banken haben – etwa durch neue Quoten, Limite oder Erleichterungen bei den Meldepflichten gemäß CRR – ergeben sich dennoch indirekte Effekte, die das Liquiditätsmanagement beeinflussen können.

Die regulatorischen Anpassungen betreffen primär das Risikomanagement und führen insbesondere bei kleineren Instituten zu einem geringeren organisatorischen Aufwand. Weniger komplexe Anforderungen an Liquiditätsstresstests und vereinfachte Berichtsformate im Rahmen von RTF und Kapitalplanung ermöglichen eine flexiblere interne Steuerung und können somit auch Refinanzierungsentscheidungen begünstigen. Gleichzeitig bleibt die Pflicht zur jederzeitigen Sicherstellung ausreichender Liquidität bestehen. Die Marktwahrnehmung spielt eine zentrale Rolle: Eine reduzierte Transparenz infolge vereinfachter interner Analysen kann potenziell zu höheren Refinanzierungskosten führen. Positiv zu bewerten sind mögliche Erleichterungen bei Auslagerungen, die den Zugang zu Plattformen verbessern und günstigere Refinanzierungskonditionen ermöglichen könnten.

Fokus Meldewesen:
Vom Datenberg zur Klarheit – Wie das Small-Banking Regime das Meldewesen verändert

Das vorgeschlagene Small-Banking Regime würde das Meldewesen grundlegend verändern.

Anstelle zahlreicher risikogewichteter Templates wird perspektivisch ein integriertes, vereinfachtes Reporting treten, das sich auf wenige Kernkennzahlen wie Leverage Ratio, Liquidität und Großkredite konzentriert. Für viele Institute bedeutet das eine deutliche Entlastung in Datenhaushalt, IT-Prozessen und Validierung. Die Meldefrequenz könnte von quartalsweise auf halbjährlich sinken, während nur zentrale Kennzahlen weiterhin regelmäßig berichtet werden. Damit verschiebt sich der Fokus des Meldewesens von komplexer Risikomodellierung hin zu Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Effizienz – ein echter Paradigmenwechsel für kleine, nicht-komplexe Banken. Darüber hinaus steht auch mit der Einführung des Integrated Reporting Frameworks (IReF) auf europäischer Ebene zusätzlich eine signifikante Erleichterung für die Institute an, da sowohl der Implementierungs- als auch der Abnahmeaufwand durch Lieferung granularer Daten an die Aufsicht reduziert wird.

2. Initiative Reduzierung regulatorischer Komplexität

Wir beleuchten hier die Auswirkungen einer möglichen Neuausrichtung der normativen Eigenmittelanforderungen.

Verringerung der parallelen Stapel in den Eigenmittelanforderungen

Die Summe aller Eigenmittelanforderungen (OCR) und -erwartungen (P2G) sind aktuell ein Konglomerat aus Kapitalbestandteilen:

  • TSCR darf in der Strukturvorgabe von Art. 92 CRR erfüllt werden, also unter Berücksichtigung von definierten Anteilen von AT 1 und Ergänzungskapital T2. Letzteres kann sowohl in Form von Vorsorgereserven § 340f dotiert werden als auch über Nachrangkapital, welches definierte Voraussetzungen erfüllt.
  • Für die Kapitalpufferanforderungen hingegen wird eine Unterlegung mit hartem Kernkapital erwartet (§ 10i KWG).
  • In ihrem Schreiben zur Eigenmittelempfehlung erwartet die BaFin auch eine Unterlegung von P2G mit hartem Kernkapital.

Dem Vorschlag zufolge würden alle Eigenmittelanforderungen nur noch durch hartes Kernkapital CET1 zu erfüllen sein.

Im Umkehrschluss bedeutet dies:

  • Entfall der Anrechnung von AT1 (typischerweise Contingent Convertible Bonds); die Nutzung ist hier bei regionalen, verbundangehörigen Instituten nur vereinzelt zu beobachten.
  • Entfall der Anerkennung von Nachrangverbindlichkeiten als T2: wird nach unserer Beobachtung regelmäßig genutzt. Ein Entfall würde demnach die Eigenmittel-Spielräume begrenzen und hätte Auswirkung auf die Kapitalplanung der Institute
  • Entfall von Vorsorgereserven § 340f als T2: gemäß Artikel 62c CRR können Vorsorgereserven in Höhe bis zu 1,25 % der risikogewichteten Positionsbeträge angerechnet werden. Bezogen auf die Eigenmittelanforderungen der Säule 1 sind das 18,75 %. Ein Entfall der künftigen Anrechnungsmöglichkeit hätte demnach zur Folge, dass die Institute im Rahmen ihrer Kapitalplanung im Einzelfall über eine Härtung durch Umwidmung z.B. in § 340g-Reserven zu entscheiden hätten.

In Abhängigkeit von der aktuellen Kapital- und Refinanzierungsstruktur hätte dieser Vorschlag für eine größere Zahl von Instituten individuelle Auswirkungen auf deren Kapitalplanung

Entflechtung des Kapital- und Abwicklungsrahmens

Die Überlegungen zufolge sollen MREL-Anforderungen ausschließlich als zusätzliche Anforderung des Abwicklungsrahmens definiert werden. Dies bedeutet eine Berücksichtigung von CET1 nur noch für den Kapitalrahmen Going Concern. AT1, T2 und nachrangige berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten sollten hingegen nur noch für die – zusätzlichen – MREL-Anforderungen im Rahmen des Abwicklungsrahmens Anrechnung finden.

Laut BaFin (2024) ist MREL ist für rund 96 % der Institute kein Thema, weil für diese die Insolvenz als Abwicklungsstrategie vorgesehen ist und demnach keine MREL-Bescheide erlassen werden.1

Vereinfachung der Kapitalpufferregelung

Darunter subsumieren BaFin und Bundesbank drei Überlegungen:

Die Zusammenfassung von P2R, P2G und dem Kapitalerhaltungspuffer CCoB zu einem einzigen, „nicht freisetzbaren“ Säule-2-Puffer „P2B“

Dieser Vorschlag hat es in sich: SREP-Zuschläge/P2R sind bekanntlich ein mikroprudenzielles Instrument der Aufsichtsbehörde und in der Kapitalstruktur von Art. 92 CRR zu erfüllen. Die Kapitalpuffer hingegen sind ein Instrument makroprudenzieller Aufsicht zur Gewährleistung der Finanzstabilität und mit hartem Kernkapital zu erfüllen. Letztendlich soll die individuelle Höhe von P2B dann im Zusammenspiel von mikro- und makroprudenzieller Bankenaufsicht festgelegt werden.

Die bislang - rechtlich nicht bindende – Eigenmittelempfehlung würde durch einen „P2B-Bescheid“ verbindlich. Eine Nicht-Einhaltung würde der Bankenaufsicht demnach Aufsichtsmaßnahmen nach § 45 KWG einräumen.

Die zweite Überlegung im Kontext der Kapitalpuffer geht dahin, Systemrisikopuffer SyRB und antizyklischen Kapitalpuffer CCyB zu einem einzigen freizugebenden Puffer zusammenzufassen und mit dem Finanzzyklus „atmen“ zu lassen.

Diese Überlegungen halten wir für folgerichtig. Die Auswirkung auf die Kapitalplanung ist in diesem Stadium der Überlegungen allerdings nicht abschätzbar.

Die Skalierung der risikogewichteten Pufferanforderungen auf die Verschuldungsquote LR mit Hilfe eines definierten Umrechnungsfaktors

Der Grundgedanke ist der „Gleichlauf“ zwischen risikogewichteten und ungewichteten Eigenmittelanforderungen zu gewährleisten.

Die Konsequenz wäre demnach ein „automatisierter“ Zuschlag auf die bisherige Verschuldungsquote von 3 % (Art. 92 CRR). Wenngleich auch die SREP-Leitlinie der EBA (EBA/GL/2022/03) analog zu den risikogewichteten Kapitalanforderungen die Leverage Ratio Aufschläge über P2-LR und P2G-LR vorsehen, fehlen uns konkrete Beobachtungen dahingehend, inwiefern eine aufsichtliche Anordnung dieser Zuschläge auf die Leverage Ratio bislang tatsächlich erfolgt ist.

In Bezug auf die Verschuldungsquote würde diese Aufsichtspraxis höhere Anforderungen an die ungewichtete Eigenmittelunterlegung bedingen.

Die konkreten Auswirkungen sind dabei abhängig vom individuellen Hebelungsgrad der Institute. Im Hinblick auf die von uns wahrgenommene Kapitalausstattung typischer regionaler Kreditinstitute sollten die materiellen Auswirkungen aber überschaubar sein.

Neuigkeiten aus dem Aufsichtsrecht

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Quelle
Roland Helbig

Roland Helbig

ist bei msg for banking als Director Business Consulting tätig. Als Praktiker begleitet er seit vielen Jahren erfolgreich Bankvorstände in den Themen Banksteuerung und Aufsichtsrecht. In dieser Funktion hat er bankaufsichtliche Entwicklungen auf dem Radar und hinterfragt sie in Bezug auf geschäfts- und risikopolitische Implikationen. Darüber hinaus bringt er seine langjährige Kredit-Expertise in unterschiedlichste Beratungsprojekte ein.

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