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Green Bonds – wo steht die Praxis?

Wir sprachen mit Sascha Kullig, Mitglied der Geschäftsleitung vom Verband deutscher Pfandbriefbanken vdp, über Green Bonds und was gegen Greenwashing unternommen wird. Das Interview ist im Rahmen des Updates der Studie Sustainable Banking im Dezember 2022 veröffentlicht worden. Lesen Sie hier das Interview in voller Länge.

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Sascha Kullig

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Herr Kullig, die im vdp organisierten Pfandbriefbanken haben Mindeststandards erarbeitet, die Pfandbriefbanken erfüllen müssen, wenn sie einen grünen, also mit grünen Immobilienfinanzierungen besicherten Hypothekenpfandbrief emittieren wollen. Investoren wollen Klarheit darüber, in was sie investieren. Das heißt doch in diesem Kontext, dass die Vermögenswerte in der Deckungsmasse ökologische Mindestanforderungen erfüllen sollten. Wie stellen Sie bzw. Ihre Mitgliedsinstitute sicher, dass der Pfandbrief nicht nur grün angestrichen ist?

Die Mindeststandards für Grüne Pfandbriefe verpflichten Pfandbriefbanken u.a. zur Einhaltung der vorgegebenen Kriterien für geeignete Assets. Um dies zu gewährleisten, sind auch Reporting- und Transparenzvorgaben vorgesehen, damit Investoren überprüfen können, in was sie investieren. Die Emittenten verpflichten sich daher gegenüber dem vdp, regelmäßig detaillierte Informationen über Grüne Pfandbriefe zu veröffentlichen. Hierzu gehören insbesondere Informationen zu den sich qualifizierenden Vermögenswerten in der Deckungsmasse, das so genannte Green Bond Framework des Emittenten und der von einer unabhängigen, qualifizierten Partei erstellte so genannte External Review. All diese Informationen stellen die im Segment Grüner Pfandbrief aktiven Emittenten regelmäßig auf ihren Webseiten bereit. Die Einhaltung der Kriterien wird folglich vom Markt überwacht. Der vdp überprüft dies nicht, kann jedoch bei Kenntnisnahme über Verstöße die weitere Nutzung der Bezeichnung „Grüner Pfandbrief“ mit sofortiger Wirkung untersagen.

Ein Marktstandard für „Green Bonds“ mit klaren intersubjektiv nachprüfbaren Kriterien scheint jedoch noch nicht etabliert zu sein. Lassen Sie uns hier auf die EU-Taxonomie eingehen. Etwas verkürzt formuliert legen technische Bewertungskriterien fest, welche Tätigkeiten wesentlich zur Erreichung von zwei der in der Taxonomie-Verordnung festgelegten Umweltziele Klimawandel1 und Klimaschutz2 beitragen. Wie praktikabel ist die Taxonomie aus Ihrer Sicht – auch angesichts der „Do No Significant Harm“-Kriterien (DNSH)?3

Grundsätzlich gibt es sicherlich Argumente dafür, sehr detaillierte Anforderungen zu entwickeln, da so genau definiert werden kann, welche Aktivität als grün im Sinne der Taxonomie gilt. Gleichwohl könnte sich dies auch als Nachteil erweisen, denn insbesondere für den nötigen Transformationsprozess ist ein binärer Ansatz „grün oder nicht-grün“ wenig hilfreich. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass ein Bürokratiemonster entsteht. Die Delegierte Rechtsverordnung inkl. ihrer Annexe zu den technischen Bewertungskriterien für die ersten der beiden sechs Umweltziele umfasst bereits über 500 Seiten.

Die Umsetzbarkeit der Prüfkriterien im Gebäudesektor ist differenziert zu betrachten, auch wenn wir grundsätzlich ein Datenproblem haben. Beim Ziel Klimaschutz wird für Neubauten gefordert, dass der Primärenergiebedarf 10% unter den nationalen Anforderungen an Niedrigst-Energie-Gebäude liegt. Diese Taxonomie-Anforderung sollte z.B. bei einer deutschen Wohnimmobilie, die dem KFW 55 Standard entspricht, erfüllt sein. Aber spätestens bei den DNSH-Kriterien wird es kompliziert. Um das Umweltziel Anpassung an den Klimawandel nicht zu gefährden, müssen bei Neubauten, aber auch bei Bestandsimmobilien, Klimarisiko- und Auswirkungsanalysen durchgeführt und Anpassungslösungen, die die Klimarisiken reduzieren, integriert werden. Das hört sich gut an, aber was genau ist zu tun? Wie detailliert müssen die Analysen und Anpassungslösungen ausfallen?

Ein anderes Beispiel ist das DNSH-Kriterium für gewerbliche Neubauten mit Blick auf den Schutz von Wasser- und Meeresressourcen. Danach dürfen Wasserarmaturen nur bestimmte Verbräuche ausweisen, bei Duschen darf der Verbrauch z.B. bei maximal 8 Litern pro Minute liegen. Zumindest bislang werden aber solche Daten bei der Bauplanung oder im Bauprozess nicht eingesammelt und eine regulatorische Grundlage, z.B. im Baugesetzbuch, gibt es auch nicht, so dass die Informationen nicht zur Verfügung stehen.

Bei Wohnimmobilien liegen den Instituten derzeit häufig keine Energieausweise vor. Hier wäre es wichtig, dass in Deutschland eine zentrale Erfassungsstelle für Energieausweise aufgebaut wird.

Sascha Kullig Mitglied der Geschäftsleitung vom vdp

Bei Bestandsfinanzierungen ist für das Umweltziel Klimaschutz festgelegt, dass für die Immobilie ein Energieausweis mit der Energieeffizienzklasse A vorliegen oder das Gebäude beim Primärenergiebedarf zu den TOP 15% des nationalen bzw. regionalen Bestands gehören muss. Bei Wohnimmobilien liegen den Instituten derzeit häufig keine Energieausweise vor. Hier wäre es wichtig, dass in Deutschland eine zentrale Erfassungsstelle für Energieausweise aufgebaut wird, auf die die Kreditinstitute für diesen Zweck zugreifen können. Bei deutschen Gewerbeimmobilien weisen die Energieausweise hingegen gar keine Energieeffizienzklassen aus. Hier muss auf den TOP 15%-Ansatz zurückgegriffen werden. Es stellt sich allerdings die Frage, wie festgestellt werden kann, dass eine Immobilie zu den TOP 15% gehört, da es keine Daten zur Energieeffizienz des gesamten deutschen Gebäudebestands gibt. Es muss also ein Modell entwickelt werden, dass auf einer repräsentativen Auswahl basiert.

Fazit: Im Gebäudesektor dürfte es in Deutschland auf absehbare Zeit häufig schwierig sein, die Erfüllung der Taxonomie-Kriterien nachweisen zu können.

Im Gebäudesektor dürfte es in Deutschland auf absehbare Zeit häufig schwierig sein, die Erfüllung der Taxonomie-Kriterien nachweisen zu können.

Sascha Kullig Mitglied der Geschäftsleitung vom vdp

Wird der angekündigte EU Green Bond Standard weiterhelfen und welcher Zusammenhang besteht hier im Kontext der „Green Bonds“ mit der EU-Taxonomie?

Der von der EU-Kommission am 6. Juli vorgelegte Entwurf für einen europäischen Green Bond Standard basiert in weiten Teilen auf etablierten Marktstandards, wie z.B. den Green Bond Principles der ICMA. Reportings sind heute ebenso weit verbreitet wie die Erstellung einer so genannten Second Party Opinion. Neu ist vor allem die Registrierungspflicht für Anbieter solcher Drittmeinungen.

Das Label EU Green Bond Standard, das ein freiwilliges Label werden wird, verlangt aber grundsätzlich eine Taxonomie-Konformität von 100%, d.h. alle Assets, die über eine Grüne Anleihe refinanziert werden, müssen die technischen Evaluierungskriterien der EU-Taxonomie inklusive der „Do No Significant Harm“-Kriterien erfüllen. Für den Gebäudesektor zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Erfüllung zumindest für eine gewisse Zeit schwierig nachzuweisen sein dürfte. Insofern muss damit gerechnet werden, dass zunächst nur wenige Anleihen aus dem Immobiliensektor das Label EU Green Bond Standard aufweisen werden. Und daher werden mindestens für eine Übergangszeit bestehende Industrieinitiativen wie die Mindeststandards für Grüne Pfandbriefe weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

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Update der Studie Sustainable Banking

Weitere Interviews und interessante Ergebnisse zum Thema Nachhaltigkeit im Banking entnehmen Sie der aktuellen Studie Sustainable Banking.

Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten auf dem Weg zu transparenten grünen Pfandbriefen?

Die größten Schwierigkeiten sehen wir aktuell beim Aufsetzen bankinterner ESG-Infrastruktur. Viele unserer Mitgliedsinstitute arbeiten gerade daran. Aber eine große Herausforderung dabei sind die nicht vorhandenen Daten. Hier hat sicherlich so manches Kreditinstitut noch Nachholbedarf. Die meisten Kreditinstitute haben zwar angefangen, ihre Datenbestände zu Nachhaltigkeitsinformationen zu verbessern. Problematisch ist aber das Bestandsgeschäft, insbesondere im Massengeschäft. Nicht zuletzt da sind übergeordnete Lösungen erforderlich, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Für Deutschland ist wie erwähnt der Aufbau einer zentralen und zugänglichen Datenbank für Energieausweise wichtig, die es in vielen EU-Ländern bereits gibt. Und auf europäischer Ebene sollte unbedingt eine Vereinheitlichung der Energieausweise erfolgen.

Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: Nachhaltigkeit bedeutet für mich…

…bei sämtlichen Aktivitäten stets die ökologischen und sozialen Auswirkungen zu berücksichtigen und gleichzeitig die ökonomische Sinnhaftigkeit nicht außer Acht zu lassen.

Für das Update der Studie Sustainable Banking 2022 haben wir das in 2021 geführte Interview mit Sascha Kullig um die beiden folgenden Fragen ergänzt.

Herr Kullig, wir hatten im letzten Jahr u. a. über die Schwierigkeiten gesprochen, einen Marktstandard für „Green Bonds“ zu schaffen. Sind die Regulatoren hier aus Ihrer Sicht vorangekommen und wenn ja, was würden Sie uns als markante Fortschritte mitgeben?

Noch sind die Verhandlungen zur Einführung eines EU Green Bond Standards auf europäischer Ebene nicht abgeschlossen. Für die Pfandbriefbanken sind die folgenden Punkte von großer Bedeutung:

  1. Der EU Green Bond Standard muss ein freiwilliger Standard bleiben. Im EU-Parlament gab es Bestrebungen, dass alle Grünen Anleihen, die an den Markt gebracht werden, zwingend die Anforderungen des EU Green Bond Standards erfüllen müssen. Dies würde den Markt nicht weiterentwickeln, sondern die Dynamik in diesem Segment massiv schwächen. Das gilt auch für Überlegungen, für Emittenten von grünen Anleihen, für die nicht das Label angestrebt wird, zusätzliche Offenlegungsanforderungen und die Veröffentlichung eines Dekarbonisierungspfads vorzuschreiben.
  2. Angesichts der großen Herausforderung, die vollständige Taxonomie-Konformität von Immobilienfinanzierungen festzustellen, wäre es wichtig, dass auch solche Anleihen das Label Green Bond Standard erhalten können, mit denen nicht ausschließlich Taxonomie-konforme Darlehen (re-)finanziert werden.
  3. Es muss deutlich zum Ausdruck kommen, dass unter dem EU Green Bond Standard die bisherige Praxis bei Grünen besicherten Anleihen wie Grüne Pfandbriefe weitergelebt werden kann. Hier werden zuerst Grüne Darlehen vergeben und die Grünen Pfandbriefe werden zur Refinanzierung dieser Darlehen emittiert. Es gab vereinzelte Versuche, den Standard auf solche Anleihen zu reduzieren, bei denen der Emissionserlös zur Finanzierung künftiger Aktivitäten verwendet wird.
  4. Es muss einen praxistauglichen Bestandsschutz für Anleihen geben, die das Label EU Green Bond Standard erhalten haben. Hintergrund ist, dass sich während der Laufzeit einer Grünen Anleihe die Taxonomie-Kriterien für die (re-)finanzierten Aktivitäten ändern.  Es wäre für Emittenten und Investoren fatal, wenn die Grünen Anleihen dann ihr Label verlieren würden.

Auf der vdp-Homepage findet sich der Hinweis, dass Pfandbriefbanken prinzipiell bei der Finanzierung Anreize für energieeffiziente Gebäude schaffen können. Mittlerweile scheinen manche Pfandbriefbanken auch sustainability-linked-loans anzubieten. "Grüne" Immobilienfinanzierungen werden dabei zinsgünstiger angeboten als die Finanzierung herkömmlicher Immobilien. Da dieser Ansatz aus ökologischer Sicht sehr zu begrüßen ist, interessiert uns, wie Sie die aktuelle Verbreitung dieses Angebots und die künftige Entwicklung einschätzen.

In der Tat gibt es bereits eine Reihe von Pfandbriefbanken, die ihren Darlehensnehmern günstigere Konditionen anbieten, wenn bestimmte Anforderungen z.B. an die Energieeffizienz von Gebäuden erfüllt sind, und zwar sowohl in der Wohnimmobilien- als auch in der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Die Höhe des Nachlasses und die zu erfüllenden Kriterien variieren. Es gibt auch Institute, bei denen die Abschläge davon abhängen, ob „nur“ bestimmte Mindestanforderungen erfüllt werden, oder ein Gebäude komplett Taxonomie-konform ist. Generell erwarten wir, dass mehr und mehr Institute vergünstigte Grüne Darlehen anbieten, obwohl der Wettbewerb in der Immobilienfinanzierung intensiv ist und Preisvorteile bei der Emission Grüner Anleihen aus Emittentensicht bislang überschaubar sind.

Hinweise und Quellen
Sustainable Banking, ESG-Risiken, Nachhaltigkeit

Sustainable Banking

Nachhaltigkeit ist aus der Branche Banking nicht mehr wegzudenken. Treiber sind zum einen die Initiativen von Gesetzgebern und Regulatoren. Aber auch Kunden stellen vermehrt nachhaltige, umweltfreundliche und klimaschonende Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Finanzentscheidungen. Um den langfristigen ökonomischen Erfolg zu sichern sowie die regulatorischen Hürden zu meistern, müssen Banken frühzeitig ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten und fit sein für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken.

Wie sieht die optimale Vorbereitung auf eine nachhaltige Zukunft in der Branche Banking aus? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie Sustainable Banking auf den Grund. Mehr Informationen zu diesem Zukunftsthema finden Sie auf unserer Webseite.

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

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