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T+1 Settlement: Übergang zur verkürzten Abrechnungsfrist im europäischen Kapitalmarkt

Nach der erfolgreichen Umsetzung in den USA und Kanada plant die EU, das T+1 Settlement auch im europäischen Kapitalmarkt einzuführen. Als Stichtag ist der 11. Oktober 2027 geplant. Fragestellungen zu Prozessen, Systemen und Strategie sind komplex - ein zeitnaher Beginn der Vorbereitungen ist entscheidend für eine erfolgreiche Umstellung.

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T+1 Settlement: EU plant schnellere Abwicklung bis 2027

Seit dem 28. Mai 2024 gilt im amerikanischen und kanadischen Kapitalmarkt die Abwicklungszeit T+1 – das heißt, alle getätigten Geschäfte werden am nächsten Bankarbeitstag (und nicht mehr wie bisher innerhalb von zwei Geschäftstagen) abgerechnet. Diese Umstellung hat sich als erfolgreich erwiesen und brachte Vorteile wie eine geringere Risikoexposition und eine verbesserte Effizienz mit sich.

Auch die Europäische Union strebt nun an, den Abwicklungszyklus auf T+1 zu verkürzen. Bis spätestens 11. Oktober 2027 soll die neue Regelung in Kraft treten. Die Ziele sind ehrgeizig, und die Vorbereitungen sollten frühzeitig beginnen. Nur so lassen sich die erheblichen Herausforderungen bewältigen und gleichzeitig die Chancen der Transformation optimal nutzen.

T+1 Settlement, Entwicklung

Abbildung 1: Die Entwicklung des T+1 Settlements (zum Vergrößern bitte anklicken)

Warum T+1? Die Vorteile auf einen Blick

Die Einführung von T+1 verfolgt mehrere wesentliche Ziele, mit denen die Effizienz und Sicherheit des europäischen Kapitalmarkts erheblich gestärkt werden sollen:

  • Risikoreduzierung: Die kürzere Abwicklungszeit minimiert das Gegenparteirisiko, da Transaktionen schneller abgeschlossen und abgewickelt werden.
  • Effizienzsteigerung: Verkürzte Prozesse ermöglichen eine schnellere und reibungslosere Abwicklung von Handelsgeschäften.
  • Verbesserte Marktliquidität: Schnellere Abwicklungen fördern eine höhere Handelsaktivität und ermöglichen eine schnellere Reinvestition von Mitteln.

Diese Vorteile sind jedoch mit erheblichen Anpassungen in der Wertschöpfungskette verbunden. Marktteilnehmer müssen Prozesse, Technologien und Zusammenarbeit grundlegend überdenken, um die Anforderungen von T+1 zu erfüllen.

Die Herausforderungen der Umstellung auf T+1

Die Umstellung auf T+1, also die Verkürzung der Abwicklungszeit für Wertpapiertransaktionen auf einen Tag nach Handelsabschluss, bringt erhebliche Vorteile mit sich, wie die Reduktion von Risiken und eine erhöhte Markteffizienz. Doch der Übergang ist mit komplexen Herausforderungen verbunden, die eine grundlegende Neuausrichtung der bestehenden Prozesse erfordern.

In der aktuellen T+2-Abwicklungslogik laufen viele kritische Prozesse in der Wertpapierbranche noch am Ende des Handelstages oder im Rahmen von nächtlichen Batch-Verarbeitungen ab. Für eine erfolgreiche Umstellung auf T+1 ist jedoch eine Echtzeitabwicklung erforderlich. Insbesondere Bereinigungen und Abstimmungen im Abwicklungsprozess müssen am Handelstag selbst oder spätestens vor der Markteröffnung des Folgetags abgeschlossen sein.

Die kürzere Abwicklungsfrist betrifft nahezu alle Bereiche der Wertpapierabwicklung. Zu den zentralen Herausforderungen zählen:

  • Treasury Management: Die Bereitstellung der notwendigen Liquidität innerhalb eines Tages verlangt nach einer deutlich optimierten Liquiditätsplanung und einem Echtzeit-Liquiditätsmanagement.
  • Handelsabgleich und Bestätigungen: Der schnelle Abgleich und die Bestätigung von Transaktionen, einschließlich der korrekten Zuweisung zu Handelsunterkonten von Vermögensverwaltern und Hedgefonds, müssen in Echtzeit erfolgen. Auch die Verarbeitung von Margin-Konten wird hier deutlich anspruchsvoller.
  • Wertpapierleihe und Bestandsverwaltung: Die effizientere Verwaltung von Wertpapieren wird durch die verkürzte Zeitspanne noch komplexer. Dies betrifft insbesondere die rechtzeitige Sicherstellung von Verfügbarkeiten und Beständen.
  • Kapitalmaßnahmen und Corporate Actions: Ereignisse wie Dividendenzahlungen, Aktiensplits oder andere Corporate Actions müssen pünktlich und fehlerfrei umgesetzt werden, um Verzögerungen und Fehler in der Abwicklung zu vermeiden.
  • Echtzeitverarbeitung und Referenzdaten: Präzise und aktuelle Referenzdaten sind essenziell, da jede Verzögerung in der Datenverarbeitung direkte Auswirkungen auf die Abwicklungsprozesse haben kann.

Die Umstellung auf T+1 ist also mehr als nur eine Anpassung der Abwicklungszeiten – sie erfordert ein Umdenken in der gesamten Wertschöpfungskette der Wertpapierbranche. Echtzeitprozesse, Automatisierung und Datenqualität sind essenziell, um auf die Herausforderungen vorbereitet zu sein und die Chancen, die T+1 bietet, voll ausschöpfen können.

Lösungsansätze: Intelligente Prozessautomatisierung und Hyperautomatisierung

Die Komplexität der Umstellung erfordert innovative Ansätze, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern. Intelligente Automatisierungstechnologien spielen dabei eine Schlüsselrolle:

  • Robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA): Automatisierung manueller und zeitintensiver Aufgaben, um Prozesse effizienter zu gestalten.
  • Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML): Analyse von Handelsmustern und Optimierung von Prozessen in Echtzeit.
  • Blockchain-Technologie: Bereitstellung sicherer, transparenter und effizienter Transaktionssysteme für die Abwicklung der Transaktionen.

Langfristig bereitet der Einsatz dieser Technologien den Weg für zukünftige Entwicklungen, wie zum Beispiel T+0 oder Real-Time-Settlement, vor. Diese Visionen könnten den Kapitalmarkt grundlegend transformieren und weitere Effizienzpotenziale freisetzen.

Fazit: Handeln Sie jetzt!

Die Umstellung auf T+1 in der EU bietet Asset Managern, Finanzinstituten, Clearingstellen und anderen Marktteilnehmern die Chance, ihre Abwicklungsprozesse zu modernisieren und somit operationale Risiken zu reduzieren und ihr Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Nutzen Sie die verbleibende Zeit, um Ihre Automatisierungspotenziale zu identifizieren und Prozesse nachhaltig zu optimieren.

Wir begleiten Sie auf diesem Weg – mit einer fundierten Analyse, strategischer Beratung und operativer Unterstützung, die auf Ihre individuellen Anforderungen zugeschnitten ist.

Quellen
Joerg Isselmann

Jörg Isselmann

betreut bei msg for banking Kreditinstitute in Projekten zu den Themen Bank- und Risikosteuerung (insbesondere Eigengeschäftssteuerung und strategische Fragestellungen) sowie den zugehörigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in globalen Führungspositionen bei Banken und Börsen.

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