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Zinsbuchsteuerung mit langlaufenden Benchmarks – Auswirkungen der aktuellen Marktentwicklungen

In diesem Beitrag wird beleuchtet, inwiefern die aktuellen Marktentwicklungen die Steuerung des Zinsbuches beeinflussen und wie die ideale Benchmark für das vorhandene Zinsbuch definiert werden kann.

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Zinsbuchsteuerung mit Benchmarks

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Nachdem durch die Niedrigzinsphase mit deutlich negativen Zinsen die Zinsbuchsteuerung mithilfe von Benchmarks zunehmend in den Hintergrund gerückt ist, beschäftigen sich viele Finanzinstitute seit dem nachhaltigen Zinsanstieg und dem deutlich positiven Zinsniveau in den letzten Jahren wieder verstärkt mit der strategischen Ausrichtung des Zinsbuchs und der Frage, wie Zusatzerträge erzielt werden können.

Aktuelles Marktumfeld

Seit Mitte Juli 2024 ist eine erhöhte Volatilität auf den globalen Finanzmärkten zu beobachten, die sich Anfang August 2024 weiter beschleunigt hat. Insbesondere die wichtigsten Aktienmärkte, allen voran Japan, gerieten unter Druck, während Carry Trades aufgelöst wurden. Diese Entwicklungen spiegeln die Unsicherheit über die weitere Zinsentwicklung in den wichtigsten Märkten wider.

In Europa werden derzeit Diskussionen über eine bevorstehende geldpolitische Lockerung geführt, wobei aktuell die Märkte bis Jahresende eine Lockerung um 65 Basispunkte einpreisen. Die Zinssenkungen haben bereits in den USA begonnen und könnten sich mit eingepreisten 90 Basispunkten bis Jahresende noch ausweiten. In Japan hingegen hat die Bank of Japan im März 2024 und erneut am 31. Juli 2024 die Leitzinsen erhöht, jedoch scheinen weitere Zinserhöhungen unwahrscheinlich geworden zu sein. China kämpft weiterhin mit einem schwachen Immobiliensektor und rückläufigen Anlageinvestitionen, was kräftige wirtschaftspolitische Unterstützung erforderlich macht, um das Wachstumsziel von 5 % zu erreichen.

Insgesamt bewegen sich die globalen Märkte in einem äußerst volatilen Umfeld, das von hohen Zins-, Konjunktur- und politischen Unsicherheiten geprägt ist. Dies stellt eine herausfordernde Zeit für das Aktiv-/Passiv-Management der Banken dar, die zudem mit zunehmenden regulatorischen Anforderungen konfrontiert werden.

Simon Feyen Partner Business Consulting bei msg for banking

Herausforderungen durch derzeitige Besonderheiten

Die Inversität der aktuellen Euro-Zinskurve erschwert zudem, ein positives Alpha im Euro-Zinsmarkt zu finden.

Euro-Zinskurve

Abbildung 1: Euro-Zinskurve, Quelle: Europäische Zentralbank1

Auch die USD-Zinskurve ist für das Aktiv-/Passivmanagement sicherlich herausfordernd.

USD-Zinskurve

Abbildung 2: USD-Zinskurve, Quelle: WP Finance LLC2

Eine geeignete Strategie für das Zinsbuch wählen

Vor dem beschriebenen Marktumfeld und der grundsätzlich wieder vorhandenen Möglichkeit, mit einer entsprechenden Positionierung Erträge mithilfe des Zinsbuchs zu erzielen, stellt sich die Frage, welche Art von Strategie gewählt werden sollte.

Im Rahmen der Steuerung des Zinsbuchs eines Finanzinstituts haben sich verschiedene grundsätzliche Vorgehensweisen herausgebildet, die grob in drei Arten der Zinsbuchsteuerung eingeteilt werden:

  • Aktiv
  • Semi-aktiv
  • Passiv

Hierbei wird unterschieden, ob das Zinsbuch aktiv anhand einer Zinsmeinung gesteuert und somit eine bewusste Positionierung zur Erzielung von Zusatzerträgen eingegangen wird oder ob eine Orientierung an einer Benchmark zur Erzielung vergleichbarer Erträge mit einer im Zeitverlauf konstant effizienten Struktur ohne eigene Zinsmeinung erfolgt. Als Mittelweg („semi-Aktiv“) erfolgt eine grundsätzliche Orientierung an einer Benchmark, mit der Möglichkeit für das Treasury hiervon in einem definierten Maß (Abweichungslimit) abzuweichen.

Gerade die beschriebene Unsicherheit über die weitere Zinsentwicklung spricht für die Orientierung an einer geeigneten Benchmark.

Definition der passenden Benchmark

Wenn der in der Praxis weit verbreitete „semi-aktive“ Ansatz oder auch ein passiver Ansatz gewählt wird, ist es notwendig, eine Benchmark zu definieren.

Welche dafür geeignet ist, liegt sowohl an der Risikoneigung des Instituts als auch an der grundsätzlichen Eignung vorhandener Indizes als Benchmarks. So haben sich in der Praxis aus Gleitzinsen zusammengesetzte Benchmarks durchgesetzt, da diese im Gegensatz zu typischen Rentenindizes, wie dem REX, disponierbar sind und relativ wenig Transaktionen durch das Treasury erfordern und somit die Handelskosten die Erträge nicht gefährden. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der gleitenden Durchschnitte auf Basis von Bundeswertpapieren. Je nach Vorhandensein von Cashflows im Bankbuch ist die geeignete, effiziente Benchmark zu wählen.

Gleitende Durschnitte im Vergleich

Abbildung 3: Gleitende Durchschnitte im Vergleich, Quellen EZB1 und Bundesbank3

Nach einem jahrzehntelangen kontinuierlichen Rückgang der Durchschnittszinsen ist über alle Laufzeiten durch die Zinswende wieder ein positiver Beitrag zu erzielen, den es zu nutzen gilt. Über die Hebelung der Benchmark kann zudem der individuelle Risikoappetit des Instituts berücksichtigt werden.

Mögliche Vorgehensweise zur strategischen Ausrichtung des Zinsbuchs

Die benchmarkorientierte Zinsbuchsteuerung bietet viele Vorteile, aber sie bringt auch einige Herausforderungen mit sich, die Banken und Finanzinstitute bewältigen müssen.

So muss, aufbauend auf den strategischen Ansatz und der Zielvorgabe, die passende Benchmark gefunden werden. Die Auswahl der richtigen Benchmark, die den spezifischen Anforderungen und Zielen des Instituts entspricht, kann eine komplexe Aufgabe sein. Außerdem gilt es zu beachten, die Benchmark regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls an geänderte Marktbedingungen anzupassen. Eine weitere Herausforderung stellt die Integration in die definierte ALM-Strategie dar. Dies kann technische Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere wenn die IT-Infrastruktur veraltet ist. Ferner ist eine genaue und zeitnahe Datenverfügbarkeit sicherzustellen. Ungenaue oder unvollständige Daten können zu fehlerhaften Analysen und Entscheidungen führen.

Dem Risikomanagement kommt bei der benchmarkorientierten Zinsbuchsteuerung entscheidende Bedeutung zu. Institute müssen wachsam sein, damit ein kurzfristiger Anpassungsdruck die langfristigen Ziele der definierten Strategie nicht gefährdet.

Die folgende Grafik zeigt ein mögliches, strukturiertes Vorgehen.

mögliches Vorgehen

Abbildung 4: mögliches Vorgehen

Fazit

Die benchmarkorientierte Zinsbuchsteuerung kann ein wertvolles Instrument für Finanzinstitute sein, um ihre Performance zu messen und zu verbessern. Die Herausforderungen, die damit einhergehen, erfordern jedoch eine sorgfältige Planung, umfassende Ressourcen und eine kontinuierliche Überwachung. Nur durch eine durchdachte und strategische Herangehensweise können Institute die Vorteile der Benchmarkorientierung voll ausschöpfen und gleichzeitig die damit verbundenen Risiken und Kosten effektiv managen.

Quellen
Simon Feyen

Simon Feyen

ist Betriebswirt und betreut bei msg for banking Kreditinstitute in Projekten zu den Themen der Bank- und Risikosteuerung (insbesondere der Eigengeschäftssteuerung und strategischen Fragestellungen) sowie den zugehörigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und ist darüber hinaus als Referent tätig.

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