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Neue Spielregeln für IRBA-Institute: CRR III zwischen Flexibilität und neuen Vorgaben

Die CRR III ist seit dem 9. Juli 2024 offiziell in Kraft getreten. Für die Anwendung des „neuen“ internen ratingbasierten Ansatzes (IRBA) stehen die Institute, die die Zulassung für die Verwendung interner Modelle schon besitzen, vor größeren Herausforderungen.

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CRR III und IRBA

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Die Überarbeitung der Capital Requirements Regulation (sog. CRR III) ist am 31. Mai 2024 beschlossen und am 19. Juni 2024 im Amtsblatt der der Europäischen Union als EU/VO/2024/16231 veröffentlicht worden. Seit dem 9. Juli 2024 ist die CRR III offiziell in Kraft. Im Artikel 2 des Anhangs I (bzw. Textziffer 255 des Beschlusses) ist festgelegt, dass die relevanten Passagen, wie zuvor angekündigt, ab dem 1. Januar 2025 gelten werden.

Über die maßgeblichen Veränderungen an KSA und IRBA haben wir schon berichtet, ebenso über die Übergangsregelungen und die neuen Möglichkeiten der dauerhaften Teilanwendung (Permanent Partial Use). Der vorliegende Bericht fokussiert sich auf die Herausforderungen für die Anwendung des „neuen“ internen ratingbasierten Ansatzes (IRBA) bei Instituten, die die Zulassung für die Verwendung interner Modelle schon besitzen.

Außerbilanzielle Verpflichtungen

In Auswirkungsanalysen sind die außerbilanziellen Verpflichtungen, d.h. vertragliche Zusagen und Limite, von besonderem Interesse, da die Überarbeitung der CRR dort zu größeren Veränderungen führt.

In die Berechnung der Höhe des relevanten Exposure (Exposure at Default, EAD) gehen Zusagen, die das Institut gegenüber Kunden und Vertragspartnern gemacht hat, durch einen Umrechnungsfaktor (Credit Conversion Factor, CCF) ein, mit dem die Höhe der Zusage multipliziert wird. Im KSA und im Basis-IRBA (F-IRBA) sind dafür vorgegebene CCF anzuwenden. Bei Anwendung des erweiterten IRBA (A-IRBA) und im Mengengeschäft wird der CCF mit einem internen Verfahren als Anteil der offenen Zusage geschätzt, die im Falle eines Ausfalls in Anspruch genommen wird.

F-IRBA für Großunternehmen und Banken

Für Großunternehmen (gemäß Artikel 142 Absatz 5a, außer Spezialfinanzierungen) und Institute ist zukünftig eine CCF-Schätzung im IRBA generell nicht mehr möglich.

Absatz 8 des Artikels 151 sieht für diese Segmente auch keine eigene LGD-Schätzung mehr vor. Das bedeutet insbesondere für die Forderungsklasse Unternehmen, dass aus der bisherigen Anwendung von internen LGD- und CCF-Modellen ab Januar 2025 die Forderungen gegenüber Großunternehmen herausfallen.

Eine Verpflichtung, einheitlich den A-IRBA mit eigener Schätzung von LGD und CCF für alle Forderungsklassen im IRBA anzuwenden, lässt sich aus der CRR nicht ableiten (siehe auch Artikel 151 Absätze 8 und 9.). Vielmehr legt schon bisher Artikel 149 im Absatz 2 fest, dass mit einzelnen Forderungsklassen oder Risikopositionsarten (gemäß Artikel 142 Absatz 2) bei Erfüllung entsprechender Voraussetzungen ein Wechsel aus dem A-IRBA zurück in den F-IRBA mit vorgegebenen LGD- und CCF-Werten möglich ist.

CRR III – 360° View

Die Änderungen der CRR III betreffen alle Kreditinstitute und sämtliche Risikoarten und wirken sich weitreichend auf die Gesamtbanksteuerung aus. Wir stellen Ihnen die wesentlichen Anpassungen sowie Themenfelder vor, in denen zeitnah ein Handlungsbedarf besteht.

Teilanwendung des A-IRBA auf Forderungsklassenebene

Der Partial-Use-Ansatz erstreckt sich vornehmlich auf ganze IRBA-Forderungsklassen.

Der Artikel 494d, der die „Rückkehr zu weniger anspruchsvollen Ansätzen“ für IRBA-Institute vereinfacht, ist mit Bezugnahme auf Artikel 149 jedoch so formuliert, dass auch für einzelne Forderungsklassen ein Wechsel vom erweiterten IRBA (A-IRBA) mit eigenen LGD- und CCF-Schätzungen in den Basis-IRBA (F-IRBA) mit vorgegebenen LGD- und CCF-Werten möglich ist. Der Artikel 151 Absatz 9 betrachtet die „Risikopositionsklassen nach Artikel 147 Absatz 2 Buchstaben a bis c“ und der Artikel 143 Absatz 2, der die vorherige Erlaubnis durch die Aufsicht zur Bedingung für die Nutzung interner Schätzverfahren macht, stellt die Risikopositionsklasse bzgl. Ratingsystem (PD-Schätzung) mit LGD- und CCF-Schätzung gleich. Daher ist die Schlussfolgerung naheliegend, dass auch je Risikoklasse beantragt werden kann, eigene/interne LGD- und CCF-Modelle anwenden zu dürfen – quasi eine dauerhafte Teilanwendung des erweiterten IRBA.

Gibt es beispielsweise bisher ein Modell für die CCF von Unternehmensforderungen, das revolvierende Forderungen nur als Spezialfall „mitbehandelt“, entfällt durch die Neuregelungen evtl. die Grundlage für dieses Modell, da für nicht revolvierende und Forderungen gegenüber Großunternehmen die eigene CCF-Schätzung entfällt. Je nach Bedeutung und Größe des verbleibenden revolvierenden Teils der Unternehmensforderungen kommt hier ein Wechsel in den F-IRBA in Frage, entweder für die gesamte Forderungsklasse Unternehmen oder nur mit der „Risikopositionsart“ revolvierende Unternehmensforderungen. Da der vereinfachte Wechsel in den F-IRBA nach Artikel 494d nur für gesamte Forderungsklassen vorgesehen ist, sind im zweiten Fall ggf. die Voraussetzungen gemäß Artikel 149 Absatz 2 zu erfüllen. Die Hürde ist, der Aufsicht gegenüber nachzuweisen, dass dies nicht geschieht, um Eigenmittelanforderungen zu verringern, sondern dass „Art und Komplexität des Gesamtbestands seiner Risikopositionen dieser Art“ nach den Einschränkungen die Voraussetzungen für die eigene Schätzung nicht mehr erfüllen.

Neugliederung der Forderungsklassen im IRBA

Dadurch, dass IRBA-Institute für den Output Floor auch die KSA-Forderungsklassen abbilden müssen, ist die Zuordnung der Forderungen sowohl nach IRBA als auch nach KSA vorzunehmen.

Bisher wichen die Forderungsklassen im KSA und im IRBA deutlich voneinander ab, was unkritisch war, da im Zielbild in jedem Institut nur einer der Ansätze zum Einsatz kam. Die Divergenz der Klassen ist in der Neufassung der CRR nicht aufgehoben, aber deutlich abgemildert. Artikel 147 Absatz 2 legt die Risikopositionsklassen fest, in die ein Portfolio im IRBA segmentiert werden muss. Gemäß Artikel 150 muss jede Risikopositionsklasse im IRBA im Prinzip vollständig behandelt werden, d.h. für die Teilanwendung ist die Risikoklasse nach Artikel 147 Absatz 2 die führende. Dadurch, dass die neuen IRBA-Klassen feiner aufgegliedert sind, gibt es mehr Spielraum für die selektive Anwendung des IRBA. Es bleibt wichtig, dass eine saubere Zuordnung der Forderungen zur richtigen Risikopositionsklasse sowohl im IRBA als auch im KSA erfolgt.

Etwas uneindeutig könnte die Zuordnung z.B. für Förderbanken sein, die in der öffentlichen Hand sind. Hier hat die EBA durch die Aufnahme von Förderbanken in die Liste der öffentlichen Einrichtungen2 Klarheit geschaffen:

Die Förderbanken werden nicht in der Forderungsklasse Institute, sondern als Risikopositionen gegenüber (sonstigen) öffentlichen Stellen behandelt.

Abweichungen zwischen IRBA-Forderungsklassen (Artikel 147 Absatz 2) und denen im KSA (Artikel 112) gibt es in einigen Punkten:

  • Für Art. 112 d) Risikopositionen gegenüber multilateralen Entwicklungsbanken und Art. 112 e) gegenüber internationalen Organisationen legt Artikel 147 Absatz 3 fest, dass sie Staaten und Zentralbanken zugeordnet werden.
  • Dass die KSA-Forderungsklasse Unternehmen (Artikel 112 g) im IRBA weiter aufgegliedert ist, bedeutet, dass Segmente, die nicht im IRBA sind, weiter gemäß KSA behandelt werden. Allerdings gibt es im KSA die Forderungsklasse „durch Immobilien besicherte Risikopositionen und ADC-Risikopositionen“ (Artikel 112 i), so dass entsprechend nur die nicht durch Immobilien besicherten Risikopositionen im KSA der Forderungsklasse Unternehmen zugeordnet sind. Wenn eine der Forderungsklassen, die gemäß Artikel 147 Absatz 2 c Unternehmen betreffen, im IRBA behandelt wird, sind die entsprechenden mit Immobilien besicherten Forderungen ebenfalls diesem IRBA-Segment zuzuordnen.
  • Die durch Immobilien besicherte Forderungsklasse (Artikel 112 i) ist im KSA zudem dadurch gekennzeichnet, dass für nicht-ADC-Positionen nur der gemäß Artikel 125 und 126 festgelegte Teil von 55 % des Immobilienwertes als besichert behandelt wird. Der gegebenenfalls verbleibende Teil der Position wird wie eine unbesicherte Forderung behandelt. Im IRBA gibt es die überschneidende Forderungsklasse Artikel 147 Absatz 2 „d) ii) durch Wohnimmobilien besicherte Risikopositionen aus dem Mengengeschäft“, für die es keine entsprechende Einschränkung auf einen Teil des Immobilienwerts gibt. Wenn diese Forderungsklasse also im IRBA behandelt wird, wird die KSA-Klasse Mengengeschäft um den als unbesichert behandelten Teil kleiner.
  • Weitere KSA-Forderungsklassen ohne IRBA-Entsprechung wie Artikel 112 k) aus nachrangigen Schuldtiteln bestehende Risikopositionen, l) Risikopositionen in Form von gedeckten Schuldverschreibungen und n) Risikopositionen gegenüber Instituten und Unternehmen mit kurzfristiger Bonitätsbeurteilung sind im IRBA den entsprechenden Forderungsklassen der Institute und Unternehmen zuzuordnen, so dass die Besonderheiten dieser Forderungsklassen ggf. in den internen Modellen berücksichtigt werden sollten.

Auswirkungen und Fazit

Für Institute, die aktuell im IRBA sind, wird durch den Output Floor und ggf. ein Wechsel in die dauerhafte Teilanwendung die Einteilung der Risikopositionen nach dem KSA-Schema aus Artikel 112 relevant. Auch die Neufassung der CRR sieht weiter keine vollständige Übereinstimmung der Definition der Forderungsklassen vor. Die IRBA-Anwendung erfolgt jeweils auf gesamten Forderungsklassen nach Artikel 147 Absatz 2, so dass bei der IRBA-Teilanwendung für die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen „Rest-KSA-Klassen“ übrigbleiben können.

Die Umstellung nicht-revolvierender Forderungen auf feste CCF und der Ausschluss des A-IRBA für Banken und Großunternehmen reduzieren den Handlungsspielraum, die vereinfachte „Rückkehr“ mit einzelnen Forderungsklassen zum KSA oder in den F-IRBA erhöht ihn für IRBA-Institute. Die Komplexität der Anwendung sowohl von IRBA als auch von KSA haben IRBA-Institute aufgrund des Output Floors in jedem Fall. Daher sollten sie die Gestaltungsspielräume nutzen und das Beste aus der Neuregelung der CRR machen!

msg for banking ist Ihr erfahrener Partner bei verschiedensten Projekten rund um ICAAP und IRBA. Da die Auswirkungen neuer regulatorischer Vorgaben schon in der Kapitalplanung zu beachten sind, sollte jedes Institut die Kapitalanforderungen der kommenden Jahre unter Berücksichtigung der CRR III und ihrer Übergangsregelungen zeitnah ermitteln und das Potenzial der neuen Regeln bewerten.

Quelle
Manfred Puckhaber

Manfred Puckhaber

ist bei msg for banking im Bereich Financial Risk & Analytics als Experte für Kreditrisiko und Parameterschätzung in Kredit- und Finanzinstituten tätig. Davor hat er über 20 Jahre die Verfahren zur Einstufung der Kreditrisiken von lebenden und ausgefallenen Portfolien optimiert und validiert. Seine Expertise besteht insbesondere in der Verbindung der Statistik mit der betriebswirtschaftlichen Optimierung der Prozesse von der Herauslage über die Kundenpflege bis zur Rückzahlung oder dem etwaigen Forderungsmanagement, unter Beachtung der einschlägigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen.

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