Fachartikel

Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht – Teil 3

Die 7. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) ist Ende Juli letzten Jahres in Kraft getreten. In den vorangegangenen Teilen lag der Fokus auf den Änderungen für die Bankkalkulation und der Organisation des Risikomanagements (FLF 5/2023) sowie auf den Liquiditätskosten und der Anforderung an den Expected Cashflow und die Kostenallokation (FLF 6/2023). Der finale Teil der Serie befasst sich nun mit den Kreditrisikokosten, der Einbeziehung von Ertragsteuern und der Rentabilitätsmessung.

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Auszug aus dem Fachartikel „Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht“

Erschienen in der Zeitschrift FLF – Finanzierung Leasing Factoring 03-2024

Neue Anforderungen – Teil 3

Die Kreditrisikokostenkalkulation1 kann mit verschiedenen Modellen erfolgen. Am häufigsten wird die Kalkulation auf Basis der Ausfallwahrscheinlichkeiten des internen Ratingsystems verwendet. Es wird eine barwertige Adressrisikoprämie ermittelt, die dem Einzelgeschäft zurechenbar ist und dem erwarteten Verlust (Expected Loss, EL) entspricht. Der EL ergibt sich aus der Multiplikation der drei Parameter PD (Probability of Default, Ausfallwahrscheinlichkeit), EAD (Exposure at Default, ausfallbedrohter Kreditbetrag) und LGD (Loss Given Default, Verlustquote).

Betrachtet wird ein Darlehen, für das die in Abbildung 1 angegebenen Daten gelten; es ist nach Ablauf der Zinsbindung vollständig getilgt. Die Verlustquoten können während der einzelnen Perioden als konstant oder wie hier als variabel angenommen werden. Die Grenzausfallwahrscheinlichkeiten (PD), das sind die Ausfallwahrscheinlichkeiten der Jahre 1 oder 2 und so weiter, im Unterschied zu kumulierten Ausfallwahrscheinlichkeiten, zum Beispiel für die Jahre 1 und 2, sind dem bankinternen Ratingsystem zu entnehmen.

Erläuterung: Bei Ausfall in t = 0 („heute“) sind alle vier Kredit-Cashflows betroffen in Höhe ihres Barwerts (3 061 505,81 Euro), jedoch begrenzt auf die LGD in Höhe von 26 Prozent. Der EL entspricht dann 3 061 505,81 Euro * 26 Prozent * 2,1 Prozent = 16 715,82 Euro. Bei Ausfall in t = 3 ist nur noch ein Kredit-Cashflow betroffen in Höhe des Barwerts (742 319,87 Euro), jetzt in Höhe der LGD in Höhe von 40 Prozent. Der EL entspricht dann 742 319,87 Euro * 40 Prozent * 1,7109 Prozent = 5 080,05 Euro.

Die Berechnung der Adressrisikoprämie folgt der Methode der Expected-Loss-Ermittlung und setzt damit die aufsichtsrechtlichen Anforderungen um.

Kreditrisikokosten auf Basis der bankinternen Ausfallwahrscheinlichkeiten

Abbildung 1: Kreditrisikokosten auf Basis der bankinternen Ausfallwahrscheinlichkeiten

Pricing unter Einbeziehung von Ertragsteuern

Die Margenkalkulation klammert bislang ertragsteuerliche Konsequenzen regelmäßig aus. Insofern kann im Rahmen der Kalkulation zwischen Margen vor und nach Ertragsteuern unterschieden werden. Zu klären ist insbesondere, welche Steuerarten herangezogen werden und auf welche Bemessungsgrundlage der Ertragssteuersatz zu beziehen ist. Es liegt nahe, hier auf die Nettomarge per annum (Konditionsbeitrag), also insbesondere unter Abzug der einzelgeschäftsbezogenen Aufwandskomponenten (insbesondere Adressrisikokosten, Liquiditätskosten, argumentationsabhängig Standardbetriebskosten und Eigenkapitalkosten, Prämien für implizite Optionen) abzustellen.

Zu betonen ist, dass die Kalkulation nur die prinzipiellen steuerlichen Wirkungen auf die Einzelgeschäftskalkulation aufzeigen kann. Die konkreten steuerlichen Wirkungen ergeben sich letztlich auf Gesamtbankebene anhand des Steuerbescheids.

Kalkulationsbeispiel

An dieser Stelle sollen die prinzipiellen Zusammenhänge mit einem bewusst einfach gehaltenen Beispiel ohne die oben genannten Aufwandskomponenten verdeutlicht werden. Betrachtet wird ein endfälliger Kredit mit einer Laufzeit von einem Jahr (Volumen 100 000 Euro, Nominalverzinsung 2 Prozent). Die Bank bewerte mit dem Opportunitätszinssatz (Pfandbriefrendite) in Höhe von 1 Prozent. Der kombinierte Ertragssteuersatz als Addition von Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer betrage 30 Prozent.

Die Marge der Bank beträgt offensichtlich 1 Prozent beziehungsweise 1 000 Euro, das sind abgezinst 990,10 Euro. Sie ergibt sich inhaltlich, indem spiegelbildlich zum Kundengeschäft die Alternativanlage zu 1 Prozent gebildet wird. Die strukturkongruente Refinanzierung
hierzu wird in Abbildung 2 bewusst als Alternativanlage und nicht als Refinanzierung dargestellt, um die steuerlichen Wirkungen besser verdeutlichen zu können.2 Die Bank müsste bei der Alternativanlage also 990,10 mehr als im Kundengeschäft anlegen, weswegen die 990,10 dem Vorteil aus dem Kundenkredit im Vergleich zu der Geld- und Kapitalmarktanlage entsprechen.

Kalkulation ohne Steuern

Abbildung 2: Kalkulation ohne Steuern

Nunmehr wird die Steuerwirkung auf den Kundenkredit betrachtet. Zunächst soll gezeigt werden, dass ein idealisiertes Steuersystem, das nur den sogenannten ökonomischen Gewinn,3 der den Opportunitätszinsen entspricht, besteuert, zum identischen Ergebnis vor und nach Steuern führt. Werden die Opportunitätszinsen (beziehungsweise die Refinanzierungszinsen der strukturkongruenten Refinanzierung) besteuert, so resultiert der identische Margenbarwert vor und nach Steuern, wie Abbildung 3 zeigt (nSt = nach Steuern; ZBF = Zerobondabzinsfaktor; FWR = Forwardrate4).

Diesem Ergebnis liegt damit eine idealtypische Steuerwelt zugrunde, die den Margenbarwert von der Besteuerung ausnimmt und insofern entscheidungsneutral5 ist, da nur der Opportunitätsertrag besteuert wird, den die Bank bei Anlage am Geld- und Kapitalmarkt erzielen würde.6 Der „Reichtumszuwachs“ in der Höhe des Margenbarwerts, also die Wertschöpfung nach der Abdeckung der Kapitalkosten, bleibt in dieser Steuerwelt von der Ertragsteuer verschont.

Kalkulation mit Steuern – entscheidungsneutral

Abbildung 3: Kalkulation mit Steuern – entscheidungsneutral

Es mag auf den ersten Blick überraschen, wieso die Besteuerung der Alternativanlage steuerneutral wirkt. Hierzu ist es am einfachsten, sich klarzumachen, dass bei Durchführung der Alternativanlage  ein Margenbarwert von null vor und nach Steuern resultieren würde.
Dies ist gerade der Grundgedanke der Marktzinsmethode: ein Geld- und Kapitalmarktgeschäft erbringt definitionsgemäß einen Margenbarwert in Höhe von null und dies gilt in dieser idealtypischen Steuerwelt ebenso. Der Nachweis findet sich in Abbildung 4 (zu diskontieren ist
mit der steuerbereinigten Rendite von 0,7 Prozent = 1 Prozent * (1 – 0,3).

Besteuerung der Alternativanlage

Abbildung 4: Besteuerung der Alternativanlage

Jetzt wird die Steuerwirkung auf den Kundenkredit analysiert, wenn der Fiskus realistischerweise die Marge per annum besteuert. Da die Wirkung im Beispiel auch barwertig gezeigt wird, wird nachfolgend auch das Besteuerungsergebnis bezogen auf den Margenbarwert
(MBW) dargestellt (siehe auch Abbildung 5).

Besteuerung des Margenbarwerts

Abbildung 5: Besteuerung des Margenbarwerts

Zu vermuten ist, dass der Margenbarwert nach Steuern unmittelbar aus dem MBW vor Steuern abgeleitet werden kann, also MBW vor Steuern * (1 - 0,3) = 990,10 Euro * 70 Prozent = 693,07 Euro. Zu diesem Ergebnis kommt auch die folgende ausführliche Analyse:

Besteuert werden die Opportunitätszinsen, das sind 100 990,10 Euro * 1 Prozent = 1 009,90 Euro. Der bereits ermittelte Margenbarwert in Höhe von 990,10 Euro wird mit der Marktrendite nach Steuern aufgezinst, da der Zinsertrag aus der Verlagerung des Margenbarwerts
von „heute“ ins Jahr 1 (= 990,10 Euro * 1 Prozent = 9,90 Euro) zu versteuern ist. Der Zinsertrag sinkt folglich um 9,90 Euro * 0,3 = 2,97 Euro auf 6,93 Euro. Somit beträgt der Margenendwert zu Recht 990,10 Euro + 6,93 Euro = 997,03 Euro. Insgesamt werden folglich die Opportunitätszinsen in Höhe von 1 009,90 Euro und der Margenendwert mit 997,03 Euro, in Summe damit 2 006,93 Euro im Jahr 1 besteuert.

Als Konsequenz resultiert der angegebene Kredit-Cashflow nach Steuern mit 102 000 Euro – 2 006,93 Euro * 0,3 = 101 397,92 Euro. Diskontiert mit der Marktrendite nach Steuern ergibt sich daraus der Marktwert heute mit 100 693,07 Euro beziehungsweise ein Margenbarwert in einer Höhe von 693,07 Euro.

Zusammenfassend kann die steuerliche Wirkung im Barwertkonzept der nachfolgenden Abbildung 6 entnommen werden.

Steuerliche Wirkung im Barwertkonzept

Abbildung 6: Steuerliche Wirkung im Barwertkonzept

Die steuerliche Wirkung hängt letztlich von der konkreten Modellierung in den Kalkulationsverfahren ab. Das vorgestellte Einperiodenmodell ist unproblematisch auf ein Mehrperiodenmodell übertragbar.7

[…]

Cover Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht Teil 3

Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht

Neue Anforderungen – Teil 3

Im  dritten Teil des Artikels befasst sich der Autor Prof. Dr. Konrad Wimmer nun mit den Kreditrisikokosten, der Einbeziehung von Ertragsteuern und der Rentabilitätsmessung.

Veröffentlicht in: Zeitschrift FLF – Finanzierung Leasing Factoring 03-2024

 

Quellen
Konrad Wimmer

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

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