Fachartikel

Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht – Teil 2

Die 7. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) ist Ende Juni dieses Jahres in Kraft getreten. Der Autor hat im ersten Teil (FLF 5/2023) die Anforderungen des Abschnitts sechs der EBA-Guidelines on loan origination and monitoring und die Umsetzung dieser Pricinganforderungen in der 7. MaRisk-Novelle vorgestellt. Vertieft wurde dabei die Berechnung der Eigenkapitalkosten. In diesem Folgeartikel wird auf die Liquiditätskosten inklusive der Anforderungen an den Expected Cashflow sowie die Kostenallokation eingegangen.

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Pricing von Krediten

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Auszug aus dem Fachartikel „Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht“

Erschienen in der Zeitschrift FLF – Finanzierung Leasing Factoring 06-2023

Neue Anforderungen – Teil 2

Mit Einführung eines Verrechnungspreissystems für Liquiditätskosten nach den MaRisk BTR 3.1 Ziffer 5 und 6 müssen die Institute mindestens drei Bewertungszinskurven festlegen:1

  • Risikolose Zinskurve ohne Liquiditätsspreads,
  • Zinskurve für die gedeckte Refinanzierung, zum Beispiel die institutsspezifische Pfandbriefkurve und
  • Refinanzierungszinskurve für die institutsindividuelle ungedeckte Refinanzierung, zum Beispiel für Inhaberschuldverschreibungen.

Auf dieser Basis können unterschiedlichen Teilportfolien der Aktivseite, zum Beispiel Konsumentenkredite oder Immobiliardarlehen, die kapitalmarktbezogenen Refinanzierungskosten als Liquiditätskosten zugeordnet werden. Auch für unterschiedliche Teilportfolien der Passivseite, wie zum Beispiel gedeckte und ungedeckte Kapitalmarktfinanzierung oder Kundeneinlagen, lassen sich die zu zahlenden Liquiditätsspreads (Liquiditätsnutzen) bestimmen.

In der Bankpraxis unterscheiden Institute vielfach bei der Bepreisung der Kundeneinlagen danach, in welchem Umfang der Liquiditätsspread an den Kunden über den Einlagenzins vergütet werden soll.

Während der Finanzkrise 2008/2009 zahlten etwa Autobanken zum Teil hohe Liquiditätsspreads auf Kundeneinlagen, da dies günstiger kam als die alternative Refinanzierung am Geld- und Kapitalmarkt.

Implizite (vertragliche oder gesetzliche) Optionen bedingen häufig ein Abweichen von tatsächlicher und vertraglich vereinbarter Vertragslaufzeit. Entsprechend sind Optionsprämien bei finanzmathematisch rationaler Ausübung zu bestimmen beziehungsweise bei statistischer Ausübung sollte der Expected Cashflow ermittelt und kalkuliert werden.

Die eben skizzierte Unterscheidung nach der Art der Ausübung unterstellt, dass die Zuordnung zu den beiden Kategorien trennscharf vorgenommen werden kann. Realistischerweise ist jedoch häufig ein fließender Übergang.

Je stärker der Zinsvorteil bei Ausübung der Zinsoption ausfällt, desto wahrscheinlicher wird es zu finanzmathematisch rationalen Ausübungen kommen – im Extremfall üben nahezu alle Kunden aus.

Ausübungsschwellen und Ausübungsfunktionen tragen einer teilrationalen Ausübung Rechnung, die die Aufsicht „verhaltensabhängige Ausübung“ nennt.2

Abbildung 1 verdeutlicht diese Überlegung anhand einer impliziten Option, bei der alle drei Ausübungsgruppen (ausschließlich rational Ausübende, ausschließlich statistisch Ausübende und teilrational Ausübende) vorkommen und die deshalb gemeinsam betrachtet werden. Prinzipiell ist diese Mischung bei Sondertilgungsrechten von Darlehen vorstellbar. Die rein statistisch Ausübenden (im Beispiel 15 Prozent) üben auch bei Zinsnachteilen aus, die rein rationalen Ausübenden (im Beispiel weitere 20 Prozent) üben bei sehr kleinen Vorteilen bereits aus, während die restlichen Kreditnehmer erst mit zunehmenden Zinsvorteilen ausüben.

Optionsausübung - kumulierte Ausübefunktion

Abbildung 1: Optionsausübung - kumulierte Ausübefunktion

Wie bereits in Teil eins dargestellt, müssen sich Institute auch aus aufsichtsrechtlichen Gründen mindestens im Zusammenhang mit den Liquiditätskosten mit der Thematik Expected Cashflow (ECF) auseinandersetzen. Bezogen auf den Zinsbindungszeitraum sind die Costs of Funding (Liquiditätskosten) sowohl für die Vertragsdauer als auch auch für die erwartete Vertragslaufzeit in den Preisrahmen einzubeziehen.

Die Aufsicht erwartet demnach, dass Banken in ihrer Kalkulation neben vertraglichen Cashflows auch erwartete Cashflows verwenden. Konsequenterweise ist dann auch in der Gesamtbanksteuerung so zu verfahren.

Ermittlung Expected Cashflow

Abbildung 2: Ermittlung Expected Cashflow

Vergleich der Margenbarwerte

Abbildung 3: Vergleich der Margenbarwerte

Die Differenz der beiden Margenbarwerte sollte analog zur Ermittlung der Optionsprämie bei (teil-)rationaler Ausübung erfolgen, das heißt, der Vertrieb erhält den erwartungsgemäß erzielbaren Margenbarwert. Im Umkehrschluss wird das Vertriebsergebnis nicht ex-post korrigiert, wenn die Optionsausübung zu einem Schaden für die Bank führt. Außerplanmäßige Ereignisse, die im Nachhinein zu einem vom CCF abweichenden Cashflow führen, also etwa in Ausübung von Sondertilgungsoptionen, sind bereits in der aggregierten Sicht auf Produktebene berücksichtigt. Da die ECF-Modellierung auf der statistischen Verteilung der außerplanmäßigen Ereignisse basiert, werden die einzelnen Verträge auch eine längere oder kürzere Laufzeit aufweisen als die auf die Grundgesamtheit bezogene ECF-Modellierung vorgibt. Diese Abweichungen führen demnach nicht zu Korrekturen des ECF. Andererseits sind die Nachkalkulationen der Einzelgeschäfte auf aggregierter Ebene auszuwerten (Basis für die Validierung der ECF-Modellierung).

Die weiteren Konsequenzen hängen von den Details der Modellierung ab. Sofern – wie hier – Kreditausfälle nicht in den ECF eingeflossen sind, ist die risikoadjustierte Bepreisung auf Basis des ECF durchzuführen. Im Ergebnis wird der erwartungsgemäß erzielbare Margenbarwert also um den auf den ECF bezogenen Expected Loss reduziert. In gleicher Weise sind Liquiditätskosten (spiegelbildlich Liquiditätserlöse) ebenfalls auf Basis des ECF zu kalkulieren.

Sofern Kredite ausgefallen sind, sind sie auch nicht mehr Bestandteil einer periodenbezogenen Vertriebssteuerung und damit aus dem Gesamtbank-Cashflow mit dem restlichen ECF zu eliminieren. Dies folgt aus der oben  getroffenen Prämisse, Kreditausfälle bei der statistischen Erhebung des Rückzahlungsverhaltens auszuklammern.

[…]

Pricing von Krediten und Aufsichtsrecht

Neue Anforderungen – Teil 2

Im  zweiten Teil des Artikels geht der Autor Prof. Dr. Konrad Wimmer intensiv auf die Liquiditätskosten inklusive der Anforderungen an den Expected Cashflow sowie die Kostenallokation ein.

Veröffentlicht in: Zeitschrift FLF – Finanzierung Leasing Factoring 06-2023

 

Quellen
  • 1. Vgl. Wimmer, MaRisk und neue Herausforderungen an die Gesamtbanksteuerung, in: Handbuch Automobilbanken, Stenner (Hrsg.): Handbuch, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg 2015, S. 355 – 372
  • 2. Vgl. zur Empirie insbesondere Bill: Risiken durch Sonderkündigungsrechte, Stuttgart 2006 und Bill: Implizite Optionen im Retailbanking und empirisches Kundenverhalten, in: Wimmer (Hrsg.): Wertorientierte Vertriebssteuerung in Banken und Sparkassen, 3. Auflage, Heidelberg 2010, S. 316 – 336
Konrad Wimmer

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

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