Blogpost

Stablecoins vs. CBDCs: Wettlauf um die Zukunft des globalen Zahlungsverkehrs

Warum die USA auf Stablecoins setzen und Europa digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) wie den digitalen Euro vorantreibt – und welche geopolitischen und wirtschaftlichen Folgen, das für den US-Dollar und die globalen Finanzmärkte hat? Diese Fragen werden im folgenden Beitrag beantwortet.

392
5 Minuten Lesezeit
CBDC vs. Stablecoins

In dieser Collection enthalten:

Collection öffnen

Stablecoins und digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) stehen im Zentrum einer globalen Debatte über die Zukunft des Zahlungsverkehrs. Während die USA Stablecoins als Instrument zur Stärkung des US-Dollars unterstützen, setzt Europa auf den digitalen Euro, um wirtschaftliche Souveränität zu sichern. Doch Gesetzgeber in Brüssel, London und Washington zögern: Wichtige regulatorische Initiativen stocken, während Stablecoins längst den Devisen- und Anleihemarkt beeinflussen. Die Folge: Ein geopolitisches und wirtschaftliches Spannungsfeld, das weit über Technologiefragen hinausgeht.

USA: Stablecoins als Schutzschild für den Dollar

Präsident Donald Trump begann seine zweite Amtszeit mit einer Executive Order, die Stablecoins als bevorzugtes Mittel zur Stärkung des US-Dollars hervorhob. Die Federal Reserve teilt diese Haltung: Vorsitzender Jerome Powell erklärte, dass während seiner Amtszeit bis 2026 kein digitaler Dollar verfolgt werde. Stattdessen konzentriert sich die US-Politik auf Stablecoins, um den globalen Einfluss des Dollars zu sichern.1

Christopher Waller, Mitglied des Gouverneursrats der Federal Reserve, betonte kürzlich, dass dollargestützte Stablecoins besonders für grenzüberschreitende Zahlungen relevant seien. Sie bieten Ländern mit hoher Inflation und eingeschränktem Zugang zu Bankdienstleistungen eine stabile Wertaufbewahrung.2

Stablecoins im Aufwind

  • Marktkapitalisierung: Über 220 Milliarden US-Dollar
  • Dominanz: Tether (USDT) hält 64 % Marktanteil und ist unter den Top 20 US-Staatsanleiheinhabern.
  • Zahlungsvolumen: In den letzten zwölf Monaten 6,2 Billionen US-Dollar über Stablecoins abgewickelt (Visa-Daten).3

Stablecoins bieten Vorteile: Transaktionen sind schneller, günstiger und transparenter als traditionelle Überweisungen. Während Korrespondenzbanken oft zwei oder mehrere Tage benötigen, können Stablecoin-Transfers in unter einer Stunde abgewickelt werden.

Europa: Der digitale Euro als Antwort auf den Dollar

Im Gegensatz zu den USA betrachtet die Europäische Union Stablecoins skeptisch. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht sie als potenzielle Gefahr für die Finanzstabilität der Eurozone und drängt auf die Einführung des digitalen Euros:

Stand der europäischen CBDC Gesetzesinitiativen:

  • Europäische Kommission: Hat ein Gesetzespaket für den digitalen Euro vorgelegt.
  • Europäisches Parlament: Bisherige Abstimmungen verweigert – kein konkreter Zeitplan

Europäische Ziele:

  • Stärkung des Euros als internationale Transaktionswährung
  • Reduzierung der Abhängigkeit von US-Zahlungsdienstleistern
  • Förderung von tokenisierten Wertpapieren und Einlagen

Europas regulatorische Antwort auf Stablecoins: MiCA

Mit der MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets) schafft Europa einen strengen Regulierungsrahmen. Insbesondere für Stablecoin-Emittenten werden bankähnliche Anforderungen eingeführt, um die Verbreitung von dollargestützten Stablecoins zu bremsen.

  • Deckungspflicht: Stablecoin-Emittenten müssen jederzeit eine 1:1-Deckung ihrer ausgegebenen Coins vorhalten.
  • Anlagevorgaben: Als Reserve dienen oft kurzlaufende Staatsanleihen – ein Instrument, das in den USA politisch gewollt ist, um die Nachfrage nach US-Staatsanleihen zu stützen.

Geopolitische Dimension: Die Reservewährung im Wandel

Der US-Dollar dominiert weiterhin den internationalen Zahlungsverkehr (49,2 % der SWIFT-Transaktionen). Allerdings ist sein Anteil an den globalen Devisenreserven von 71 % (2001) auf 54,8 % (2024) gesunken. Viele Länder streben nach Entdollarisierung, während private Akteure verstärkt auf US-Dollar-Stablecoins setzen.

Stablecoins könnten somit einen paradoxen Effekt haben: Während Regierungen versuchen, sich vom Dollar zu lösen, festigen Unternehmen und Privatpersonen dessen Dominanz durch Stablecoin-Nutzung.

Stablecoins und der Devisenmarkt: Ein neues Paradigma

Traditionell spiegeln Devisenmärkte reale Handelsströme wider. Doch mit Stablecoins könnte sich dies ändern. Unternehmen wandeln Fiat-Währungen in Stablecoins um, tätigen internationale Zahlungen und wechseln zurück – schneller und günstiger als je zuvor.

Vorteile für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr:

Stablecoins tragen zur Erreichung der G20-Ziele für grenzüberschreitende Zahlungen bei: Diese wurden 2020 von der G20 und dem Finanzstabilitätsrat (FSB) festgelegt, um internationale Transaktionen effizienter, sicherer, günstiger und zugänglicher zu machen.

Insbesondere folgende Eigenschaften unterstützen diese Ziele:

  • Kostenersparnis: Geringere Gebühren als bei traditionellen Banken
  • Geschwindigkeit: Minuten statt Tage für Transaktionen
  • Transparenz: Klare Nachverfolgbarkeit durch Blockchain-Technologie
  • Zugänglichkeit: Einfacher Zugang zu grenzüberschreitenden Zahlungslösungen

Stablecoins als Treiber für US-Staatsanleihen

Die rasant wachsenden Stablecoin-Märkte beeinflussen nicht nur den Devisen- und Zahlungsverkehr, sondern auch die Märkte für US-Staatsanleihen. Emittenten wie Tether und Circle investieren einen Großteil ihrer Reserven in US-Treasuries, was deren Liquidität und Nachfrage erhöht.

Doch es gibt Risiken: Länder mit schwachen Währungen könnten verstärkte Kapitalabflüsse erleben, was deren wirtschaftliche Stabilität gefährdet.

Geopolitische Dimension: Sanktionen umgehen und Macht sichern

Stablecoins werden auch in geopolitischen Konflikten zunehmend relevant. Staaten und Unternehmen suchen Wege, westliche Sanktionen zu umgehen – digitale Währungen bieten hier neue Möglichkeiten.

Stablecoins hingegen, vor allem wenn sie US-Dollar-gebunden sind, geben den USA ein effektives Kontrollinstrument zurück. Über die Regulierungsmechanismen von Emittenten mit Sitz in den USA lassen sich Zahlungen blockieren oder überwachen – ein geopolitischer Hebel, den CBDCs anderer Länder nicht bieten.

CBDCs vs. Stablecoins: Wer gewinnt das Rennen?

Während die USA auf den Markt und die Innovationskraft von Stablecoins setzen, glaubt Europa an die Stabilität eines staatlich gestützten digitalen Euros. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile:

Kriterium Stablecoins CBDCs (z. B. digitaler Euro)
Regulatorische Kontrolle Niedrig bis mittel Hoch
Innovationspotenzial Hoch (durch private Anbieter) Geringer (staatlich)
Finanzielle Stabilität Potenziell risikoreich Hohe Stabilität (staatlich)
Nutzung internationale Zahlungen geeignet Fokus national

Blick in die Zukunft: Koexistenz oder Verdrängung?

Stablecoins und CBDCs müssen nicht zwangsläufig konkurrieren. Ein mögliches Zukunftsszenario ist die Koexistenz beider Systeme:

  • Stablecoins für schnelle, internationale Zahlungen im Privatsektor
  • CBDCs für den Einzelhandel, nationale Zahlungen und staatlich geförderte Projekte

Entscheidend wird die Schaffung klarer Regulierungen sein. Die USA arbeiten an einem rechtlichen Rahmen für Stablecoins, während Europa mit MiCA bereits erste Standards gesetzt hat.

Fazit: Die Zukunft des globalen Zahlungsverkehrs wird hybrid.

Stablecoins haben sich als ernstzunehmende Alternative im internationalen Zahlungsverkehr etabliert.

Sie senken die Kosten und steigern die Effizienz grenzüberschreitender Zahlungen, stehen jedoch vor Herausforderungen in Bezug auf Regulierung und Stabilität. Ihre Geschwindigkeit, Effizienz und Akzeptanz könnten den US-Dollar als Reservewährung sogar stärken – vor allem, wenn Emittenten verpflichtet werden, US-Staatsanleihen zu halten.

Europa verfolgt einen anderen Weg: Der digitale Euro soll wirtschaftliche Autonomie sichern und die Dominanz des Dollars herausfordern. Doch ob staatliche Lösungen mit der Innovationsgeschwindigkeit privater Stablecoin-Emittenten mithalten können, bleibt abzuwarten.

Eines ist sicher: Die Zukunft des Zahlungsverkehrs wird nicht entweder Stablecoins oder CBDCs gehören – sondern einer neuen, hybriden Finanzwelt, in der beide Technologien nebeneinander existieren und sich ergänzen. Zukünftig könnten Stablecoins internationale Zahlungen und Innovationen beschleunigen, während CBDCs die Stabilität innerhalb regulierter Finanzsysteme gewährleisten.

Quellen
Joerg Isselmann

Jörg Isselmann

betreut bei msg for banking Kreditinstitute in Projekten zu den Themen Bank- und Risikosteuerung (insbesondere Eigengeschäftssteuerung und strategische Fragestellungen) sowie den zugehörigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in globalen Führungspositionen bei Banken und Börsen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.