Blogpost

Im Gespräch mit Peter Mock, Migros Bank

Peter Mock, Mitglied der Geschäftsführung der Migros Bank, spricht mit uns im Interview über die Herausforderungen im Risikomanagement, Compliance und in der Banksteuerung, mit denen die Migros Bank sich zurzeit und in Zukunft auseinander setzen muss.

1075
8 Minuten Lesezeit
Interview mit Peter Mock von der Migros Bank

In dieser Collection enthalten:

Collection öffnen

Welche komplexen Herausforderungen in Finance, Risk und Compliance gilt es zu meistern?

Die Herausforderungen für Banken in den Themenbereichen Finance, Risikomanagement, Meldewesen und Compliance sind seit Jahren anspruchsvoll. Wir haben mit Experten aus der Branche Banking über die derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen in diesen Themengebieten gesprochen und gefragt, wie Banken mit ihnen umgehen. Den Anfang macht Peter Mock, Mitglied der Geschäftsleitung sowie Leiter Risikomanagement und Finanzen (CRO und CFO) der Migros Bank.

Guten Tag Herr Mock. Vielen Dank, dass sie sich Zeit für uns genommen haben. Wir haben ein paar Fragen zu einzelnen Aspekten aus Risikomanagement, Finance und Compliance für Sie vorbereitet. Gestiegene Zinsen, Inflation und die Folgen des Ukraine-Kriegs – wie wirken sich diese Ereignisse auf die Bankenbranche aus?

Direkt nach der Covid-Situation wurden wir mit dem Ukraine-Krieg konfrontiert und diese Konstellation führte dann zu Inflation und steigenden Zinsen. Während der Negativzinsphase wurden auslaufende Kredite zu Tiefstpreisen verlängert, wogegen die Verzinsung von Konten künstlich hochgehalten wurde. In der Folge sanken die Zinsmargen der Banken. Nicht wenige Institute erachteten damals Kontogelder als Belastung und wollten das Volumen verkleinern, um von günstigeren Refinanzierungsformen zu profitieren. Die Migros Bank bekannte sich stets zu Kontoeinlagen und hielt deren Anteil am Refinanzierungsmix im Gegensatz zum Markttrend weiterhin auf höchstem Niveau. Der hohe Anteil verschafft uns im neuen Positivzinsumfeld einen klaren Vorsprung, denn plötzlich interessieren sich wieder alle Banken für Kontogelder.

Mehr Wettbewerb?

Mehr Wettbewerb, ja, genau. Nicht nur bei den Banken untereinander, sondern auch bei den Produkten. Früher ließen Kundinnen und Kunden ihr Geld einfach zu 0 Prozent auf dem Kontokorrent oder zu 0,05 Prozent auf den Sparkonten liegen. Inzwischen haben die Kunden mit festverzinslichen Produkten wie Anleihen, Festgeldern oder hier in der Schweiz auch mit Kassenobligationen interessante Alternativen. Der Marktanteil dieser Gelder ist also merklich kleiner geworden.

Eine vorausschauende Bilanzplanung ist wichtiger denn je, denn die Situation von Banken hat sich seit der Zinswende grundlegend verändert.

Peter Mock CRO und CFO, Migros Bank

Obwohl unsere Bank mit einem äußerst gut diversifizierten Kundenportfolio und klarem Fokus auf die Schweiz ein sehr stabiles und risikoarmes Geschäft betreibt, ist eine vorausschauende Bilanzplanung wichtiger denn je, denn die Situation von Banken hat sich seit der Zinswende grundlegend verändert.


Interview mit Peter Mock

Interview als PDF lesen

Sie möchten das Interview als PDF-Version lesen?

Dann können Sie sich hier die PDF-Datei herunterladen.
 


In Deutschland ist das Immobiliengeschäft stark rückläufig. Ist das in der Schweiz auch zu beobachten?

Um die Nachfrage von Wohnraum – ob nun zur Miete oder als Eigenheim – zu decken, müsste wesentlich mehr gebaut werden. Aufgrund dieses Nachfrageüberhangs sind sich die Banken einig, dass die Schweiz weit von massiven Preissenkungen entfernt ist, aber gleichzeitig die exorbitanten Preissteigerungen am Immobilienmarkt vorbei sind. An peripheren Lagen sind leichte Preissenkungen zu beobachten. Vielerorts ist – wenn nur die laufenden Kosten betrachtet werden – die Miete günstiger als das Eigentum.

Die Migros Bank hat in den letzten Jahren ihr Risikomanagement grundlegend überarbeitet. Zahlt sich dies in der aktuellen Krisensituation aus? Und in welchen Themenbereichen sind weitere Verbesserungen geplant?

Das Risikomanagement hatten und haben wir im Griff. Wir haben aber unsere Fähigkeiten zur vorausschauenden Planung weiter gestärkt und uns der Themen Transparenz, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz angenommen. Über die Jahre hatten sich Prozesse etabliert, die wir überarbeitet haben. Bei einigen hatte sich gezeigt, dass sie nicht mehr relevant oder redundant waren. Insgesamt sind wir im Risikomanagement agiler, was nicht zuletzt die Umsetzung neuer Vorschriften seitens des Regulators oder der Politik vereinfacht – ich denke da beispielsweise an die neuen Eigenmittelvorschriften im Sinne von „Basel III final“.

Wir haben aber unsere Fähigkeiten zur vorausschauenden Planung weiter gestärkt und uns den Themen Transparenz, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz angenommen.

Peter Mock CRO und CFO, Migros Bank

Stolz sind wir darauf, zusammen mit der Schweizer Nationalbank als erste nicht systemrelevante Bank ein Liquiditätsnotfallprogramm aufzusetzen, das auch landesweit ausgerollt wird.

Die Transparenz betrifft zum Beispiel das Zinsrisiko. Das Zinseinkommen ist unsere hauptsächliche Einnahmequelle, und hier sind wir in der Lage bessere Prognosen zu machen als früher. Besser im Sinne von: Was passiert aufgrund welcher Einflussgrößen mit der Bilanz und mit der Erfolgsrechnung? Wir haben jeden Monat eine neue Prognose bis zum Jahresende und können so unser Budget zeitnah tracken. Wir können beurteilen, wo wir noch ein bisschen zulegen müssen oder was wir vorziehen können und wo wir unsere Ausgaben steuern müssen. Das gibt uns eine große Flexibilität und wir können unseren Geschäftsgang dem anpassen, was wir für das Jahresende erwarten. Diese Möglichkeit hatten wir früher nicht. Gerade in der aktuellen Marktsituation ist dies hochinteressant: In den vergangenen Jahren waren Abweichungen vom ursprünglichen Budget stets klein. Aber jetzt gibt es sehr viele Effekte, die das Jahresergebnis enorm beeinflussen können. Auch wenn wir schon jetzt adäquate Schätzungen erstellen, so wollen wir noch umfassender, integrierter und automatisierter werden.

Sicher ist in diesem Zusammenhang das Thema Transfer Pricing für die Migros Bank auch wichtig, dass man in der Kalkulation die Preis- oder Margenbestandteile besser berechnen und differenzieren kann.

Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich denke, hier haben viele Banken noch Potential beziehungsweise haben noch ein ungenügendes Transfer Pricing System. Sie kennen nicht die wirklichen Kosten, die für die Banksteuerung relevant sind. Ich persönlich habe meine Mühe mit dem Begriff Eigenkapitalkosten.

Inwiefern?

Ich beobachte immer wieder, dass in der Kaskade der Berechnung der Transferpreise sowohl eine Komponente Eigenkapitalkosten als auch eine Marge aufgeführt wird. Ich halte dies für doppelt gemoppelt, denn die Marge generiert ja gerade das Einkommen, um das Eigenkapital zu verzinsen.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Die Mehrheit der Banken übersetzt die Kundenkonditionen eines Produktes in Eigenkapitalrendite. Damit dies ökonomisch adäquat wäre, müssten sämtliche Aufwände und alle anderen Ertragsquellen beispielsweise aus dem Handels- oder Kommissionsgeschäft berücksichtigt werden. Ohne diese Berücksichtigung ist der Term Eigenkapitalrendite im Rahmen des Transfer Pricings eine Augenwischerei. Deshalb bin ich ein Fan davon, dass man nicht von Eigenkapitalkosten redet, sondern von RWA-Verzinsung , das heißt wie hoch ist die (Netto-)Marge im Vergleich zu den durch das Geschäft generierten Risikoaktiva. Die RWA-Verzinsung erhebt nicht den Anspruch, eine bestimmte Eigenkapitalrendite zu generieren, sondern vergleicht die relative Vorteilhaftigkeit verschiedener Geschäfte.

Das Transferpricing betrifft aber auch die Passivseite. Die wiederum generiert jetzt, im positiven Zinsumfeld, auch wieder Marge, welche Eigenkapitalrendite generiert. Es gibt also eine Unmenge an Variablen, die in einem vollständigen in sich schlüssigen Transfer Pricing System berücksichtigt werden müssten.

Auch die Compliance-Anforderungen werden zunehmend komplexer. Mit welchen Herausforderungen muss sich die Migros Bank hier auseinandersetzen?

Wir haben bei einer Bilanzgröße von 60 Milliarden Schweizer Franken weit über eine Million Kundinnen und Kunden. Bei den vielen Kleinsparern gepaart mit unserem einfachen, inlandbezogenen Geschäftsmodell könnte man leicht der Versuchung erliegen, Geldwäscherei als geringes Risiko einzustufen.

Effizienz und Skalierbarkeit mit höchster Qualität zu verbinden ist sicher eine unserer zentralen Herausforderungen.

Peter Mock CRO und CFO, Migros Bank

Aber weil unser Geschäft nicht wie bei einer Privatbank von wenigen, dafür großen Kunden getrieben wird, ist die Herausforderung für uns ungleich grösser, aus dem Massengeschäft alle aus Geldwäscherei Perspektive verdächtigen Transaktionen zu identifizieren. Damit wir auch Kleinsparern ein attraktives Angebot bieten können, ohne dass diese für uns zur Kostenfalle für die Bank werden, sind wir auch bei der Compliance und insbesondere im Bereich der Geldwäscherei auf höchste Effizienz angewiesen. Effizienz und Skalierbarkeit mit höchster Qualität zu verbinden ist sicher eine unserer zentralen Herausforderungen.

Würde hier der Einsatz von künstlicher Intelligenz helfen, die Effizienz zu steigern?

Bisher setzen wir im Bereich Compliance noch keine KI ein, aber wir prüfen dies. Das Thema der künstlichen Intelligenz ist aber ohnehin generell wichtig. Insbesondere kann mit KI das Kundenerlebnis verbessert werden. Klar, dies braucht definierte Bandbreiten der Anwendung. Die EU ist sicherlich am weitesten fortgeschritten, wenn es darum geht, Regeln für die künstliche Intelligenz aufzustellen. Die USA, aber auch die Schweiz haben diesbezüglich Nachholbedarf.

Ich halte die Anwendung von künstlichere Intelligenz seitens der Banken als zentrales Element der Risikovermeidung.

Peter Mock CRO und CFO, Migros Bank

Teilweise erhalte ich den Eindruck, dass Regulatoren es lieber sehen, wenn Banken keine künstliche Intelligenz anwenden würden. Diesen Aspekt würde ich differenzierter betrachten: Mit KI nimmt auch die Gefahr von Phishing-Mails und anderen Formen der Cyber-Kriminalität zu. Wenn die Finanzinstitute sich nicht selbst mit dem Thema befassen, dann verfügen sie nicht über das nötige Know-how, entsprechende Angriffe abzuwehren. Aus diesem Grund halte ich die Anwendung von künstlicher Intelligenz seitens der Banken als zentrales Element der Risikovermeidung. Professor Leimeister von der Universität St. Gallen nannte folgende treffende Analogie: „Wenn die Zahnpasta mal aus der Tube raus ist, bekommt man sie nicht wieder rein.“ Das heißt, die Banken kommen nicht umhin mitzumachen.

Sie sind jetzt seit über zwei Jahren bei der Migros Bank und inzwischen als CFO und CRO tätig. Was macht für Sie den besonderen Reiz dieser Tätigkeit aus?

Zuvor war ich Treasurer. Ich dachte immer, die Treasury sei das Herzstück einer Bank und ich war stolz darauf. Das bin ich auch heute noch, denn es ist für mich ein sehr interessanter Bereich. Mit der erweiterten Verantwortung sehe ich sehr viel mehr Bereiche und erkenne, wie alles zusammenhängt. Keine Abteilung ist wichtiger als eine andere. Was aber zählt ist, dass sich jede Abteilung, mag sie noch so klein sein, sich für das Gesamtgefüge engagiert.

Außerdem ist für mich sehr interessant zu sehen, auf welcher Flughöhe ich mich bewege und welche Dinge ich in der Geschäftsleitungsposition außen vorlassen kann, die früher relevant waren. Jetzt geht es darum, Ziele zu formulieren. Die Lösungen kommen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Eine der wichtigsten Aufgaben einer Geschäftsleitung ist die Zuordnung von Ressourcen.

Peter Mock CRO und CFO, Migros Bank

Eine der wichtigsten Aufgaben einer Geschäftsleitung ist die Zuordnung von Ressourcen. Eine Bank funktioniert am besten, wenn alle Ressourcen optimal aufeinander abgestimmt sind. Die richtige Balance zu finden, ist weitaus anspruchsvoller, als dies den Anschein haben mag. Gerade dieses Spannungsfeld gefällt mir sehr gut.

Das klingt wirklich spannend. Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Ich bedanke mich auch.

Rainer Alfes

Rainer Alfes

ist Diplom-Mathematiker und bei msg for banking spezialisiert auf Asset-Liability-Management sowie Steuerung der Marktpreis- und Liquiditätsrisiken. Als Executive Business Consultant berät er zu produktstrategischen Themen, hat langjährige Erfahrung in der Konzeption von Risikomanagementsystemen und der Abbildung von Treasuryprozessen, ist Autor von Fachartikeln sowie erfahrener Referent.

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.