Sustainable Finance Paket 2023: Neuer Fahrplan der EU-Kommission
Die EU-Kommission hat das lang erwartete Sustainable Finance Paket mit neuen Umweltzielen und Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Investitionen und Finanzierungen veröffentlicht. In Anbetracht der Dringlichkeit, die Klimakrise und andere Umweltprobleme anzugehen, ist das Paket von großer Bedeutung für die europäische Wirtschaft und den Finanzsektor.
In dieser Collection enthalten:
Collection öffnenGreen IT: Benchmarking zur Beurteilung von Energie- und CO₂-Effizienz
ESG-Reporting und -Offenlegung: Nachhaltigkeit in Aktion
Nachhaltigkeit im Kreditgeschäft: Die Relevanz von ESG-Kriterien und einer strategischen Ausrichtung
Biodiversität: Ein unterschätztes Risiko für den Finanzsektor
Naturkatastrophenrisiko: Auswirkungen von steigenden ESG-Risiken auf die Banken- und Versicherungswirtschaft
ESG-Risikomanagement: Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft zu den EBA-Guidelines
Doppelte Wesentlichkeit nach CSRD und ESRS: Effizienz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Mit der neuen Lösung eva.real Immobilien nachhaltig bewerten
ESG-Rating: Die Politik reagiert, aber ausreichend?
Nachhaltige Veranlagung: Ein Blick auf den österreichischen Bankenmarkt
Veröffentlichung des Sustainable Finance Pakets
Am 13. Juni hat die EU-Kommission mit dem Sustainable Finance Paket ein neues Maßnahmenpaket vorgelegt. Es baut auf dem EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen auf und stärkt ihn weiter.1
Das Paket umfasst zwei Themenbereiche:
- Anpassungen und Erweiterung der EU-Taxonomie sowie
- Vorschläge zu neuen Regeln für Anbieter von Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings (ESG-Ratings).
Mit diesen Maßnahmen soll die Transparenz auf dem Markt für nachhaltige Investitionen weiter erhöht werden. Zugleich wird aber auch sichergestellt, dass die Finanzierung von Transitionsprojekten und -technologien gefördert und nachhaltiges Investieren somit erleichtert wird.
EU-Taxonomie
Die EU-Taxonomie ist der zentrale Eckpfeiler für ein nachhaltiges europäisches Finanzwesen und somit ein wichtiges Instrument für die Transparenz von Investitionen in Wirtschaftstätigkeiten, die die ökologische Transformation der Volkswirtschaften unterstützen soll. Sie ist ein robustes und fundiertes Klassifizierungssystem, das Kriterien zur Identifizierung wirtschaftlicher Aktivitäten bereitstellt, die wesentlich zu den Umweltzielen der EU beitragen.
Die Taxonomie-Verordnung ermöglicht es der EU-Kommission über delegierte Rechtsakte technische Überprüfungskriterien festzulegen. Der erste delegierte Rechtsakt definierte die Kriterien für Wirtschaftstätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zu den ersten beiden (Net-Zero) Umweltzielen Klimaschutz bzw. Anpassung an den Klimawandel leisten. Im Rahmen des zweiten delegierten Rechtsakts wurden die Inhalte, Methodik und Darstellung der von großen Finanz- und Nichtfinanzunternehmen offenzulegenden Informationen über den Anteil ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten (Nature-Positive) geregelt. Unter strengen Bedingungen wurden im dritten delegierten Rechtsakt bestimmte Kern- und Gasenergieaktivitäten in die Liste der von der EU-Taxonomie abgedeckten Wirtschaftstätigkeiten aufgenommen.
Damit Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig gelten können, müssen vier Bedingungen erfüllt werden:
- Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zu einem oder mehreren der sechs Umweltziele,
- sie schaden keinem der anderen Umweltziele erheblich („do not significant harm“ Bedingung),
- sie werden unter Einhaltung (sozialer) Mindestgarantien (gem. Art. 18) durchgeführt,
- es werden technische Überprüfungskriterien (gem. Art. 10 DelVO) eingehalten,
Mit dem nunmehr verabschiedeten Maßnahmenpaket wurden zwei delegierte Rechtsakte zu den Bereichen Umwelt und Klima verabschiedet. Über den delegierten Rechtsakt „Klima“ werden dabei gezielte Änderungen und sachliche Korrekturen ausgewählter bestehender Klimakriterien des seit Januar 2022 in Kraft befindlichem delegierten Rechtsakts zur Klimataxonomie (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) vorgenommen.
Der Rechtsakt deckte bisher 107 Wirtschaftstätigkeiten ab, die für rund 64 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind. In den nun veröffentlichten Unterlagen wurden die technischen Bewertungskriterien für Wirtschaftstätigkeiten, die bisher noch nicht enthalten waren, ergänzt. So wurden z.B. kohlenstoffarme Transportmittel ergänzt, die bei der Einsparung von Treibhausgasemissionen unterstützen können. Auch sind einige Übergangstätigkeiten im Transportsektor (Luft- und Wassertransport) ergänzt worden, da hier CO2-freie Lösungen noch nicht weit genug fortgeschritten sind. Insgesamt wurden dabei zwölf neue Tätigkeiten definiert, welche sechs Sektoren abdecken:
- Transport
- Herstellung
- Katastrophenrisikomanagement
- Wasserversorgung, Kanalisation, Abfallmanagement und -sanierung
- Information und Kommunikation
- Berufliche, wissenschaftliche und technische Tätigkeiten
Des Weiteren wurden mehrere bestehende Tätigkeiten aktualisiert.
Neue technische Bewertungskriterien
Mit der Verabschiedung des delegierten Rechtsaktes Umwelt erfolgt eine entscheidende Weiterentwicklung des Taxonomierahmenwerks. Es werden technische Bewertungskriterien zur Bestimmung der Bedingungen definiert, unter denen eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu den vier nachfolgend aufgeführten, nicht klimabezogenen Umweltzielen, leisten kann2:
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
- Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung,
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Der delegierte Rechtsakt definiert dabei 35 Wirtschaftstätigkeiten in folgenden acht Wirtschaftssektoren:
- Umweltschutz- und Sanierungstätigkeiten
- Produktion
- Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung und Sanierungstätigkeiten
- Bau- und Immobilientätigkeiten
- Katastrophenrisikomanagement
- Information und Kommunikation
- Dienstleistungen
- Beherbergungstätigkeiten.
Durch Einbezug der Wirtschaftsaktivitäten, die alle sechs Umweltziele abdecken, erweitert sich der Kreis an Unternehmen, die von der EU-Taxonomie betroffen sind deutlich.
Der Rechtsakt umfasst allerdings noch nicht alle Wirtschaftstätigkeiten. Die Kommission hat sich zunächst auf jene Tätigkeiten mit dem größten Potenzial für einen wesentlichen Beitrag fokussiert und bei denen es innerhalb kurzer Zeit möglich war, die empfohlenen Kriterien zu bestätigen oder zu verfeinern. Das Sustainable Finance Paket der EU-Kommission ist damit ein weiterer Schritt hin zu einem führenden Rechtsrahmen, der die Finanzierung des Übergangs zu nachhaltigen Volkswirtschaften im Kontext des europäischen Green Deals erleichtern soll.
Offenlegungsanforderungen
Die Verabschiedung der delegierten Rechtsakte führt auch zu Änderungen bei den Offenlegungspflichten. Große nichtfinanzielle Unternehmen müssen ihre Taxonomiedaten zum Klimaschutz bereits für 2023 offenlegen. Durch die Änderungen zur EU-Taxonomie-Offenlegung werden diese Offenlegungspflichten hinsichtlich der zusätzlichen Wirtschaftstätigkeiten erweitert und die zu verwendenden Meldebögen erfahren hierfür notwendige Anpassungen. Eine weitere Anpassung wurde bei den Spaltenbezeichnungen vorgenommen. Wo aktuell noch ein „Darunter-Ausweis“ bzgl. Spezialfinanzierungen (Specialised Lending) anzuzeigen ist, wird künftig auf die Mittelverwendung (Use of Proceeds) abgestellt. Es erfolgt also eine weiter gefasste Auslegung, als dies bisher der Fall war, was Anpassungen in den Datenhaushalten notwendig macht.
Die Offenlegung wird auch in den nächsten Jahren schrittweise für andere Umweltziele und Wirtschaftsakteure ausgedehnt. Die Taxonomie und die damit einhergehenden Offenlegungspflichten werden also sukzessive erweitert.
ESG Ratings
Das ESG-Rating greift die Bewertung von nachhaltigen Anlagen bzw. Unternehmen auf und bewertet diese nicht anhand ökonomischer Kriterien wie Rentabilität oder Risiko, sondern auf Grundlage ihrer Nachhaltigkeit. D.h. das Rating gibt Auskunft über die Nachhaltigkeit eines Emittenten (z.B. Unternehmen) oder eines Finanzproduktes (z.B. Anleihe). Damit spielen ESG-Ratings für die Vergleichbarkeit nachhaltiger Finanzierungen eine wichtige Rolle.3
Ein Ziel der Europäischen Kommission mittels des Sustainable Finance Pakets ist die Harmonisierung und damit Erhöhung der Verlässlichkeit sowie Transparenz der am Markt angebotenen ESG-Ratings. Ziel sind neue organisatorische Grundsätze und klare Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass Anbieter von ESG-Ratings künftig von der ESMA (European Securities and Markets Authority) zugelassen und beaufsichtigt werden müssen. Wesentliche Neuerungen sind:
- Registrierung bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA),
- Laufende, mindestens jedoch jährliche Überprüfung der Methoden,
- Aufstellung von Maßnahmenkatalogen zur Vermeidung von Interessenskonflikten,
- Offenlegung von Informationen zu Methoden und Annahmen.
Sollten Anbieter eines ESG-Rating gegen die Vorgaben verstoßen, so sieht der Verordnungsvorschlag auch eine entsprechende Bestrafung vor. Bei Nichteinhaltung der Vorgaben können Geldstrafe von bis zu zehn Prozent des jährlichen Nettoumsatzes verhängt werden.
Der Vorschlag für eine Verordnung über Anbieter von ESG-Ratings wird nun im Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ministerrat beraten.
ESG-Offenlegung der EBA – die Daten sind die Herausforderung
Auf die richtigen Daten kommt es an.
Ausblick
Die delegierten Rechtsakte zur EU-Taxonomie gelten grundsätzlich als verabschiedet. Sobald sie in alle Amtssprachen übersetzt wurden, gelten diese auch als angenommen. Es folgt die Übermittlung an das EU-Parlament und den EU-Rat zur Prüfung (Viermonatszeitraum, der einmalig um zwei Monate verlängerbar ist). Aktuell kann davon ausgegangen werden, dass die delegierten Rechtsakte voraussichtlich bereits ab Januar 2024 Anwendung finden.
Zudem plant die EU-Kommission bis Ende des Jahres eine weitere Leitlinie zu verabschieden. Diese fokussiert sich auf die Berichtspflichten zur Taxonomieanpassung für Finanzunternehmen, die ab dem 1. Januar 2024 ihre Green Assets Ratio (GAR) und andere KPIs melden müssen.
Sollten in diesem Bereich neue Veröffentlichungen vorliegen, werden wir an dieser Stelle über diese berichten. Wenn Sie Fragen zu den neuen Rechtsakten haben, inwieweit Ihre Bank oder Institut bzw. Ihr Reporting betroffen ist, wenden Sie sich gerne an uns.
Sustainable Banking
Nachhaltigkeit ist aus der Branche Banking nicht mehr wegzudenken. Treiber sind zum einen die Initiativen von Gesetzgebern und Regulatoren. Aber auch Kunden stellen vermehrt nachhaltige, umweltfreundliche und klimaschonende Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Finanzentscheidungen. Um den langfristigen ökonomischen Erfolg zu sichern sowie die regulatorischen Hürden zu meistern, müssen Banken frühzeitig ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten und fit sein für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Wie sieht die optimale Vorbereitung auf eine nachhaltige Zukunft in der Branche Banking aus? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie Sustainable Banking auf den Grund. Mehr Informationen zu diesem Zukunftsthema finden Sie auf unserer Webseite.
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